Intro
Warum es in Algerien keine Revolution gab
Algerien
Teil Eins "Algerien, das unbekannte Land" Ankunft in Algier
Teil Eins "Algerien, das unbekannte Land" Ankunft in Algier
Ankunft in Algier
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Und
kaum saß ich im Flugzeug und die Wolken über Hamburg zogen an mir
vorbei und das Dröhnen der Turbinen verhinderten das Schlafen, hatte ich
das Gefühl alles hinter mir zu lassen. Alles erledigt zu haben und hier
nicht mehr benötigt zu werden. Nichts hält mich mehr in Hamburg. Also
auf nach Algerien. Gefühlt ist für die meisten Algerien, wie es Libyen
vor der Revolution war, ein weißer Fleck auf ihrer
Allgemeinwissensweltkarte. Klar, es gibt Algerien, und die Hauptstadt
heißt Algier und das Land war mal französische Kolonie und Zinedine
Zidane hatte einen algerischen „Migrationshintergrund“ Aber viel viel
mehr weiß man wahrscheinlich nicht. Die politisch Interessierten wissen
vielleicht noch, dass die Wahlen 1992 abgebrochen wurden, weil die FIS
(Front Islamique du Salut) die Wahlen sonst gewonnen hätte.
Und viel mehr wusste ich, als ich zum
ersten Mal hier her kam auch nicht. Ich war bereits in Ägypten,
Tunesien, Marokko und VAE unterwegs gewesen und wusste irgendwie viel
über den Irak, Syrien, Jordanien oder den Libanon. Ganz zu Schweigen von
Palästina. Um Palästina kommt man ja nicht herum. Das ist an der Stelle
ähnlich, wie mit manchen US-amerikanischen Städten. Dank der
Traumfabrik in Hollywood habe ich das Gefühl, ich kenne mehr Straßen,
Stadtteile oder U-Bahnhaltestellen in New York als in München, Köln oder
Stuttgart. Und ähnlich geht es mir mit Palästina. Mein Professor meinte
mal zu mir; Wenn sie die Zeitungen, der letzten 50 Jahre durchgehen,
dann werden sie feststellen, dass über 50 Prozent aller Nachrichten
irgendwie Palästina behandeln.
Über
aber Algerien wusste ich also so gut wie nichts. Was aber noch viel
schlimmer war; es interessierte mich auch nicht. Gefühlt war das ganze
Land eine einzige Wüste. Was statistisch auch irgendwie stimmt, aber
trotzdem die halbe Wahrheit ist. Südlich des Atlasgebirges erstreckt
sich Algerien über etwa 3000 km weit in die Sahara. Ungefähr 85%
Algeriens besteht aus diesem Gebiet, gleichzeitig leben aber etwa 96%
der Bevölkerung nördlich des Atlasgebirges und damit in relativer Nähe
zur Küste, wo es grün und fruchtbar ist. Von
diesem Gebiet hatte ich aber nichts mitbekommen. Und als ich das letzte
Mal hier war, hat es mich entsprechend überrascht, dass das Land eben
nicht nur aus Wüste besteht.
Dieses Mal weiß ich also warum ich hier
bin und was ich hier will. Seit 2 Monate habe ich diese Reise hier her
geplant, über 4000 Euro für Equipment ausgegeben, war 4 Mal für ein
Visum in Berlin, habe 392 Euro für 1 Flugticket ausgegeben und gefühlte
100 Leute angerufen, damit ich während meiner Zeit dort ordentlich rum
komme. Jetzt sitze ich im Flugzeug und die Wolken ziehen an mir vorbei
und ich lasse alles hinter mir und habe das Gefühl als würde ich weg
fliegen. Nicht das Flugzeug fliegt, sondern ich fliege. Und weg bin ich…
Ankunft in Algier
Algerie, mon amour!
Teil Zwei "Touch down, Algiers"ersten Eindrücke in Algier
Kaum bin ich angekommen, beginnen die
Probleme. Der Zollbeamte entdeckt bei der Sicherheitskontrolle mein
200mm Objektiv. Erso freundlich bestimmt: „Bitte öffnen Sie ihre Tasche“
Ich zeigte im das Equipment mit einer Mischung aus stolz und
-hoffentlich macht der mir keine Probleme- Erso, zeigt auf das 200mm
Objektiv: „was ist das“ Ichso: „ein Objektiv“. Erso: „was haben sie
damit vor?“ Ichso: „Fotos machen“ Erso provoziert: „warten sie hier“. Spätesten
an der Stelle, war’s mit dem Stolz vorbei und mir wurde klar: Okey, das
gibt jetzt Probleme. Als er mit einem ihm Vorgesetzten zurück kam ging
das Gespräch etwa so ähnlich von vorne los. Aber was soll’s? Ich kenne
ja die Antworten. „was ist das… was wollen sie damit…“ aber dann
irgendwann die alles entscheidende Frage „Sind sie Journalist????“
Ichso: „Nein, ich bin Bestatter. Journalist, wie kommen sie denn darauf“
Innerlich dachte ich mir -Oh nein Özgür, falsche Gegenfrage- Und zack
hatte ich den Salat. Erso: „Mitkommen“. Ich dachte mir so: -Oh nein. Na
super. Das geht ja super los- In so einem kleinen verrauchten Kabuff der
Polizei am Rande der Zollkontrolle. „Wo wollen sie in Algerien hin und
was haben sie hier vor?“ Welch Überraschung. Mit so einer Frage habe ich
tatsächlich nicht gerechnet. Aber auch die Antworten kannte ich zum
Glück. „Ich möchte nach Abu Hamidu bei La Pointe zu meinem Schwager,
dessen Familie lebt da. Ich bin ein Gast!!!“ Erso, wenig beeindruckt, ob
meiner eloquenten antworten, schaut in seinen Computer: „Abu Hamidu
gibt es nicht in Algiers und in ihren Unterlagen steht Rais Hamidu“
Ichso: „Ja genau“ Nach einer intensiven Prüfung meines Passes, verließ
er das verrauchte Kabuff. Mit jeder Minute die verging, wurde mir
unwohler und ich dachte mir, wie kann ich nun mein Empfangskomitee
kontaktieren. Die sollen diese Scheiße hier klären.
Nach etwa 20 min Ungewissheit kamen Polizei-super-chef und ein
zweiter Mann in dieses kleine verrauchte Kabuff, dass mit mir und zwei
weiteren Beamten in Uniform, damit überfüllt war. Die zwei unterhielten
sich, offenbar über mich und der zweite Mann nahm mich mit. Keine
Ahnung wer das ist und wohin er mich mit nimmt, aber es geht in
Richtung Ausgang. Schon mal die richtige Richtung. Bis ich Samy, meinen
Schwager entdecke und sich damit herausstellte, dass er und der zweite
Mann das Empfangskomitee darstellen. Von da an ging es ab durch die
Mitte. Von da an heißt es, vorsichtig beim fotografieren in Algerien.
Teil Drei "Shoppingtour mit Samy" Einkaufstour in Algier
Teil Drei "Shoppingtour mit Samy" Einkaufstour in Algier
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Man muss wissen, dass in Algerien
Freitag, Sonntag ist, aber Samstag Samstag bleibt und Sonntag aber
Montag ist. Etwas verwirrend, aber so ist’s nun mal in islamischen
Ländern. Dort ist Freitag der Tag an dem die Menschen versammelt in die
Moschee gehen sollten. Okey sie sollten im Idealfall jeden Tag fünf Mal
in die Moschee gehen. Aber Freitag Mittags in jedem Fall. Da findet dann
die predigt statt. Für mich ist dieser Termin eher langweilig. Ich
finde diesen Termin schon in der Türkei langweilig. Dort werden häufig
irgendwelche Rede über die Türkische Republik und Atatürk gehalten, von
denen ich denke, das hat mal so überhaupt nichts in einer Moschee zu
suchen. Aber in einer Moschee in Algerien verstehe ich noch weniger.
Nämlich um genau zu sein. Gar nichts. Da habe ich kein Bock drauf. So…
also dann schon lieber shoppen mit Samy. Allerdings haben wir beide
nicht einkalkuliert, dass der Freitag in Algerien unserem Sonntag
gleicht und so ziemlich alle Läden geschlossen sind. Aber ein
orientalisches Land, wäre eben nicht ein orientalisches Land, wenn alle
sich an die Regeln halten würde. Das heißt, irgendwo muss es Läden
geben, die geöffnet haben. Und los geht’s. Natürlich gibt’s Läden, die
geöffnet haben, die mich aber irgendwie nicht interessieren. Ich will
lieber Fotos machen. Doch gar nicht so einfach in einem Land in dem
jeder Fotoapparat, dass ein Wechselobjektiv hat, suspekt ist. Schon
alleine wenn ich es in der Hand halte ohne damit zu fotografieren,
schauen mich die Leute, die vorbeigehen an, als hätte ich eine
Kalaschnikov in der Hand mit der ich jeden Augenblick los schießen
könnte. Und sie haben auch nicht ganz unrecht, denn es dauerte
tatsächlich nicht lange und ich begann zu schießen. Bam bam… bam; Kaum
hatte es Bam bam oder in meinem Fall eher Klick klick gemacht, fuhr ein
Mann vor, fuhr die Beifahrerscheibe runter und fuhr mich auf arabisch
an. Ichso: „Qui, je ne comprends rien!“ Aber der Mann lässt sich nicht
aufhalten und übersetzt das eben auf arabisch ausgekotzte schnell auf
französisch: „Warum fotografierst Du unser Haus?“ Ichso: „Haus? Welches
Haus?“ Er zeigt mit dem Finger auf die Wand. Ichso: „Neee
ich habe die Wand fotografiert an der zwei Stühle stehen“ Erso, schaut
auf die Wand: „Das verstehe ich nicht“ Ichso: „Ach, das macht nichts.
Das müssen sie nicht verstehen, schauen sie einfach mal her, ich zeige
ihnen, dass ich nicht ihr Haus fotografiert habe.“ Ich zeige ihm auf dem
Display, dass ich nicht sein Haus, sondern nur die Wand mit zwei
Stühlen fotografiert habe. Ichso: „Das ist Kunst“ und grinse dabei etwas
verlegen. Erso: „Das ich nicht normal“ und die Überzeugung und sein
mangelndes Verständnis für Kunst „á la Gängeviertel“ gab mir zu
verstehen, dass es sinnfrei und zwecklos wäre ihm nun zu erklären, dass
ich es ästhetisch finde, dass dort zwei Stühle auf zwei Beinen neben
einem Laternenmast an so einer Wand stehen. Er wollte, dass ich die
Fotos lösche und ich wollte nicht länger diskutieren und ging weg. Er
verfolge mich aber nicht länger.
Mir wird nun immer deutlicher klar, dass es schwierig wird hier
entspannt zu fotografieren. Zumal es hier, Dank der hohen
Arbeitslosigkeit, Menschen gibt, die Wände halten. So zumindest werden
hier Jugendliche genannt, die den ganzen Tag nichts anderes tun als an
einer Wand angelehnt, auch gerne alleine, warten, dass der Tag vergeht.
Bei der Gelegenheit stellen sie damit sicher, dass die Wand zu der
Zeit, während sie sich da anlehnen, nicht umkippt oder ich rumknipps.
Denn kaum bin ich den Kunstbanausen losgeworden und hatte etwas anderes
schönes entdeckt, kam auch schon der nächste Wandhalter. „Hey, was
machst Du da?“ Ichso: „Wieso, was’n los?“ Erso irgendwas auf arabisch.
Ichso auf arabisch: „Ich spreche kein Arabisch. Ich bin Türke“ und
grinse ihn an. Erso: „Man darf hier nicht fotografieren“ Ichso: „was?
Wieso das denn nicht? Wer soll mir das denn verbieten?“ Erso: „Ich“.
Ichso, kein Bock auf Stress und das Foto hatte ich ohnehin schon
gemacht: „Okey“ und gehe schwupp zurück auf die Straße in den Laden, wo
Samy schon wieder am Shoppen war. Er bekommt von allem dem nichts mit.
Er ist voll in so’m Shoppingflash und schleppt mich nun zu allem
Überfluss nun auch noch in ein Super-Shopping-Center. Das einzige, dass
an einem Algerischen-Sonntag -also Freitags- geöffnet hat. Ich dachte mir. Okey
hier kannst Du mit Sicherheit kein Foto machen. Aandererseits muss man
es mir auch erst verbieten, bevor ich mich davon abhalten lasse. Also
baller ich mit meiner Kalaschnikov Marke Canon los. Lacoste oder
Apotheke auf Arabisch und so weiter…und zu meinem Erstaunen, sprechen
mich plötzlich die Leute nach kurzer Zeit an und wollen sich mit mir
Fotografieren lassen. Schon irgendwie komisch oder eben auch plausibel, dass man sich mit mir fotografieren lassen will, weil
man so einen durchgeknallten Typen mit einem Fotoapparat in Algerien
eben nicht häufig zu sehen bekommt. Das Shoppen meines Schwagers war
übrigens ohne Zwischenfälle sehr erfolgreich verlaufen. Gegen Shoppen
hat hier, im Gegensatz zum fotografieren eben keiner etwas.
Teil Vier "Hummeln im Arsch und Bomben im Müll" In Algiers sind viele Dinge anders
Teil Vier "Hummeln im Arsch und Bomben im Müll" In Algiers sind viele Dinge anders
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Ich
wohne gut. Um nicht zu sagen sehr komfortabel in einem Nobelviertel von
Algiers. Ich habe ein Apartment mit drei Zimmern, einer Küche und einem
Badezimmer mit Badewanne für mich alleine. Dazu kommt, dass ich bekocht
werde und mir meine Wäsche gewaschen, aufgehängt und gebügelt wird.
Außerdem haben wir ein Swimmingpool, der gerade dreckig ist und mal
Frischwasser bräuchte. Ich kann mir die Zeit aber auch mit den 1458
Fernsehkanälen vertreiben.
Wer,
um alles in der Welt, braucht 1458 Fernsehkanäle und wer, zum Henker,
produziert die? Das relativiert mal eben meine Arbeit beim NDR auf 1 zu
1458 oder wahrscheinlich noch viel viel höher. Mal ehrlich wer braucht
das. Also ich nicht!!! Ich brauche auch kein Swimmingpool, denn ich
nicht benutzen kann und in drei Zimmern kann ich auch nicht gleichzeitig
wohnen. Also raus hier! Ab nach Algiers Centre-Ville.
Das Auto, dass ich hätte
bekommen sollen, ist nicht da, also nehme ich den Bus, was auch eine
Erfahrung für sich ist. Da bekommt man das Volk zu sehen und was ich zu
sehen bekomme sind nichts anderes als Türken. Denn genau so sieht es in
der Türkei auch aus, wenn man Menschen in ein Dolmus (Sammeltaxibus)
stopft. Ein Mu’awin (Fahrgeldsammler) geht im Dolmus umher und sammelt
die paar Kröten ein, die so eine Fahrt kostet. Die Frauen sehen aus wie
Türkinnen, die Männer sehen aus wie Türken und der Fahrer sieht aus wie
ein Türke. Ich bin wahrscheinlich der einzige, der nicht aussieht wie
ein Türke, sondern wie ein Deutscher. Und verdammt… ich verhalte mich
sogar wie einer. Denn auf der Suche nach der Friedrich-Ebert-Stiftung,
der Konrad-Adenauer-Stiftung und dem Deutschen Goethe-Institut in
Algiers irre ich in der Stadt umher und trage dabei kilometerweit, die
Papiertüte vom dem Fastfood an der Ecke (Fastfood heißt hier
„Restaurante rapide“ – Was wäre dann wohl ein “Restaurante-Transrapide“)
und die leere Dose in meinen Taschen umher. Dabei
ist mir längst aufgefallen, dass der Müll hier wirklich überall liegt.
Das heißt, nicht, dass er sich an der einen oder anderen dunklen Ecke
versammelt hat, sondern es liegt wirklich überall Müll herum. Ich wage
es nicht einmal meinen Müll einfach auf einen riesigen Berg von
Mülltüten zu werfen, denn ich suche eine ordentliche Mülltonne. So
Deutsch bin ich. Ich kann es kaum fassen. Ich bin sogar so Deutsch, dass
ich für einen Bruchteil einer Sekunde erwarte
habe, dass ich die Dose in die eine Tonne und das Papier in die andere
Tonne schmeißen würde. Da dachte ich mir… „sag mal geht’s noch. Sei doch
froh, dass Du überhaupt eine Mülltonne gefunden hast.“ Und mit einem
selten gutem Gewissen habe ich dann die Papiertüte und die Dose in die
selbe Mülltonne geschmissen. Nach sechs Stunden habe ich mich also
meines Mülls entledigt, dass ich durch halb Algiers gefahren habe. (Ob
mein Müll nun ein CO² Gepäck hat?).
Allerdings wäre ich nicht
ich, wenn ich einfach locker gelassen hätte. Ich habe also einen
Müllmann -bei uns heißen die sicher Abfallbeseitungsteam oder so-
gesucht, gefunden und gefragt, warum es in Algier keine Mülltonnen gibt.
Die Antwort ist relativ einfach und ich wäre nie darauf gekommen.
Die FiS (Front islamique
du Salut) stand 1991 kurz davor die Wahl zu gewinnen. Um nicht
Islamisten gewinnen zu lassen und die Demokratie zu retten, wurden die
Wahlen abgebrochen. (Es lebe die Demokratie) In der Folge ging die FiS
in den Untergrund und wurde zur Terrorgruppe, die ihre Bomben bevorzugt
in Mülltonnen legten. Tja seither gib es weder Demokratie noch
Mülltonnen in Algiers. Es gibt es zwar kaum noch Terroranschläge in
Algiers, aber dafür Berge von Müll. Und was soll ich sagen, der Müll
stinkt. Auch hier in Algiers.
Keine Mülltonnen!?! Das alleine stinkt schon zum Himmel, aber dass
man dann auch noch Bäume an den Straßenrändern außerhalb der Stadt
beseitigte, weil man befürchtete, dass sich hinter den Bäumen Islamisten
mit Bomben verstecken könnten, ist der eigentliche Knaller. Sozusagen
„Bäume töten gegen den Terror“. Bei uns würde bei so einer Aktion sofort
irgendein Gesetzt greifen, eine Naturschutzorganisation Sturm laufen
oder sich irgendjemand an den Baum ketten und im Zweifel mit dem Baum in
die Luft sprengen lassen, nur um den Baum zu retten. Es lebe der Baum
und die Demokratie.
Teil Fünf "Die Hierarchie der Diskriminierung" Unterwegs mit dem Hafenmeister von Algier
Teil Fünf "Die Hierarchie der Diskriminierung" Unterwegs mit dem Hafenmeister von Algier
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Was für eine wunderschöne Stadt… muss das gewesen sein, als noch die
Franzosen hier waren. Jetzt ist die Stadt auf charmante Art
heruntergekommen. Die Fassaden der zahllosen Kolonialbauten in der
Innenstadt Algiers bröckeln schon seit Jahrzehnten, die Straßen platzen
auf und sind viel zu klein für den Verkehrsansturm des 21. Jahrhundert.
Speziell bei einem Benzinpreis von 10 Cent/Liter. Wer oben im
Botschaftsviertel bei „Biar“ um die Ecke fährt, muss hupen, damit das
entgegenkommende Auto überhaupt eine Idee haben kann, dass gleich ein
anderes Auto um die Ecke gebogen kommt. Nachts ist’s leichter, dann wird
einfach die Wand mit dem Fernlicht angestrahlt. Ich will nicht in so einer Kurve wohnen, wo Tags über ohne Ende gehupt und Nachts mit Fernlicht in mein Fenster geblendet wird.
Es ist schon ein
Jammer zu sehen, wie eine so schöne Stadt am Mittelmeer vor die Hunde
geht. Keiner kümmert sich um die Entwicklung und Instandhaltung von
Straßenzügen. In der Kasbah von Algiers reißen zusammengestürzten
Wohnhäuser riesige Baulücken in das alte Straßenbild. Zunächst habe ich
nicht verstanden, wieso man so untätig bleiben kann und alles verfallen
lässt. Jetzt habe ich eine Theorie:
Als
ich neulich mit einem Bekannten die Straße runter lief, er jemanden
traf und ihn begrüßte, ging das in etwa so: Erso: „Hey wie geht’s“. Der
andereso: „Hey, soweit ganz gut und selber, bist Du Gesund, fühlst Du
Dich wohl?“ Erso: „Ja klar muss ja. Wer bin ich das ich mich beklage.
Gott sei Dank ist alles in Ordnung. Was treibst Du so?“ Der andereso:
„Ach nichts, bin so unterwegs. Und Du?“ Erso:
„Ja nichts Besonderes. Was macht Deine Frau?“ Der andereso: „Ach der
geht’s auch gut. Was soll sie machen. Und Deiner Frau? Ist bei Ihr auch
alles okey?“ Erso: Ja. Dem Gott und dem Propheten sei’s gedankt.“ Der
andereso: „Ja Gott und dem Propheten sei’s gedankt.“ Und wie geht’s
Deinen Nachbarn?“ Erso: „Ja, ja den geht’s auch gut.“ Der andereso: „Ja
dem Himmel sei Dank, alles in bester Ordnung.“ Erso:
„Okey dann bis bald. Frieden und der Segen des Propheten sei mit Dir.“
Der andereso: Der Frieden und Segen des Propheten sei mit uns allen“
Fünf Meter weiter
trifft er einen anderen Kollegen und der Dialog geht in genau der
Reihenfolge und dem inhaltlichem Wert, der asymptotische gegen Null
läuft, von vorne los. Als
wir dann an einem Kaffee vorbei kamen, ging es etwa eine dreiviertel
stundenlang nicht weiter. Jeder musste begrüßt und befragt werden, ob
den alles in bester Ordnung sei. Nicht das sich hier irgendjemand
tatsächlich für das Wohl des anderen interessieren würde, aber man kann
ja mal Frage. Für einer Strecke von 30 Meter haben wir Sage und Schreibe
eineinhalb Stunden gebraucht. Klar bleibt dann keine
Zeit mehr um die Fassade eines Hauses in Schuss zu bringen. Ich stelle
mir vor, ich laufe über den Flur beim NDR und begrüße jeden, der mir
über den Weg läuft mit der Intensität….
Trotzdem ist die
Innenstadt wunderschön quirlig und maßlos lebendig nur kosmopolitisch
ist’s nicht. Denn Ausländer gibt’s keinen. Naja, ich bin ja jetzt da, um
die Quote zu heben und im „Ausländer sein“ bin ich professionell. Dabei
versuche ich nicht aufzufallen, mich zu integrieren und einzutauchen.
Das gelingt mir beizeiten so gut, dass die Leute mich auf Arabisch
ansprechen und sauer sind, wenn ich dann nicht antworte. Es dauert eine
gewisse Zeit bis sie checken, dass ich gar kein Arabisch kann und sie
gerade nicht verarscht werden, sondern einem waschechten Türke (der
irgendwie sehr Deutsch ist) gegenüber stehen.
Und ich kann nur sagen
„uns“ hat man hier in sehr guter Erinnerung. Zwar sprechen alle
Französisch und nicht Türkisch und außerdem haben die Franzosen hier
alles gebaut und Algier in einer rücksichtslosen Operation das heutige
Gesicht verpasst und wir Osmanen haben gerade einmal die „große“ und die
„alte“ Moschee hinterlassen. Trotzdem haben sie uns
lieber als die Franzosen. Klar das hat seine Gründe. Über 1 Millionen
Algerien wurde während der Kolonialzeit von den Franzosen getötet,
gefoltert oder vertrieben. Kein Wunder also, dass die Algerier die
Franzosen nicht mögen. Auch wenn 1,5 Millionen und damit die größte
algerische Gemeinde außerhalb Algeriens in Frankreich lebt, mögen sie
die Franzosen nicht. Ist ja auch logisch. Ich mag die Deutschen ja auch
nicht und lebe in Deutschland.
Es gibt aber auch
Gruppen, die wiederum die Algerier nicht mögen. Das sind zum Beispiel
die Berber. Die wiederum Mögen es nicht, dass man sie Berber (römisch:
Barbaren) nennt, denn eigentlich sind es Amazir. Politisch
korrekt heißt es neuerdings ja auch nicht mehr Eskimos sondern Inuit.
Und so heißt es jetzt nicht mehr Berber, sondern Amazir. Unter den
Amazir befinden sich die Kabylen. Die mögen das arabische Algerien nicht
besonders. Darum leben sie lieber in den Bergen des Atlasgebirges und
proben von Zeit zu Zeit den Aufstand und führen Krieg für ihre
Unabhängigkeit oder zumindest für Autonomie. Die Tuareg gehören auch zu
den Amazir, leben aber in der Wüste und mögen wiederum die Kabylen
nicht. Sie meinen, dass die Kabylen sich für etwas Besseres halten.
Algerier mit Malischen „Migrationshintergrund“ wiederum mögen die
Tuareg nicht, weil die Tuareg erst vorige Woche in Mali ein Massaker an
der dortigen Bevölkerung verübt haben. Ehemalige Gadaffi-Millizen, die
sich zu den Tuareg in Mali durchgeschlagen haben und bis an die Zähne
bewaffnet sind, massakrieren jetzt die Bevölkerung in der Grenzregion
zwischen Algerien und Mali. Das finden selbst die Christen in Algerien doof. Aber die mag ohnehin keiner in Algerien.
Ich mag auch keinen von
denen. Es ist schon erstaunlich, dass man innerhalb von wenigen Tagen
vom Philanthropen zum Misanthrop werden kann. Ich mag sie alle nicht.
Überhaupt, mag ich im Moment niemanden. Ich finde alle doof. Vielleicht
hat das aber auch was damit zu tun, dass ich nun schon seit fünf Tagen
nicht mehr rauche.
Teil Sechs "Eine sehr ernste Angelegenheit" Auf dem Weg zur Deutschen Botschaft
Teil Sechs "Eine sehr ernste Angelegenheit" Auf dem Weg zur Deutschen Botschaft
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Was
das für ein Spiel gewesen sein muss, als Ägypten gegen Algerien in dem
Relegationsrückspiel für die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika im
sudanesischen Karthum gespielt hatte. Man kann es kaum glauben aber es
ging um Leben und Tod. Nicht auszudenken, wenn es einen gemeinsamen
Grenzübergang gegeben hätte. Ob es dann tatsächlich zu kriegerischen
Auseinandersetzungen gekommen wäre, wie einige Algerier übermütig
behaupten? Dabei war es eigentlich nur ein Fußballspiel. Allerdings eins
mit weitreichenden Folgen, die heute noch zu spüren sind. Dabei liegt
das Spiel jetzt mehr als 3 Jahre zurück. Seither sind es nicht mehr die
ägyptischen Fernsehserien, die all abendlich im Flimmerkasten laufen,
(sondern türkische Serien) Auch ägyptische Produkte haben es auf dem
algerischen Markt seither sehr schwer. Die Telekommunikationsfirma
Djezzy musste schwere Umsatzeinbußen hinnehmen, die bis Heute nicht das
alte Niveau erreicht haben. Auch der Außenhandel mit Ägypten ist
eingebrochen. Selbst als die Revolution in Ägypten ausbrach, war man
eher auf der Seite der Tunesier. „Ach ja, die Ägypter haben jetzt auch
eine Revolution…Naja wir interessieren uns aber eher für die Revolution
unserer Nachbarn in Tunesien.“ war die Haltung vieler Algerier auf der
Straße. Was für ein Spiel muss das gewesen sein, dass Fernsehserien
abgesetzt, die Außenpolitik derart beeinträchtigt wurden und Menschen
sterben müssen. Algerien hatte sich zwar für die WM qualifiziert, aber
in der Gruppenphase kein Spiel gewonnen. Ob es das alles Wert war?
Eine ähnlich ernste Angelegenheit war mein Gespräch mit der Deutschen Botschaft in Algier. Man gab mir zu verstehen, ………….
(der Rest ist etwas heikel und kann daher lediglich per Anfrage und via Email versendet werden)
………….Es scheint, als wäre
das eine zweite sehr ernste Angelegenheit. Nicht das es am Ende um
Leben und Tod geht und die bilateralen Beziehungen zwischen Algerien und
Deutschland gestört werden
Teil Sieben „Grenzen gibt es im Kopf und in Algerien“ Christen in Algier
Teil Sieben „Grenzen gibt es im Kopf und in Algerien“ Christen in Algier
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Jeden
Tag bin ich in Algiers und Umgebung unterwegs um irgendetwas zu
erleben, um irgendetwas zu entdecken, um irgendwas zum Schreiben zu
finden. Das schöne ist, es gibt keine Vorgabe, keine Ziele und keine
Grenzen. Naja… Grenzen vielleicht schon. Also es hört da auf, wo die
Polizei, Jandarmerie oder Militär ins Spiel kommt. Das heißt, keine
Brücken zu fotografieren. Keine Polizei- oder Militärstationen bzw.
Kasernen oder offizielle Gebäude, wie Post, Krankenhäuser oder Rathäuser
usw… weil die oft Angriffsziele für Terroristen darstellen. Auch
die Verkehrskontrollen, von denen es hier zahllose gibt. So viele, dass
man sich irgendwie schon wundert, dass der Verkehr überhaupt noch
fließt. Und interessant ist auch, dass es bei den Straßenkontrollen
jetzt Wünschelruten gibt. Damit soll man angeblich Sprengstoff aufspüren
können. Wahrscheinlich jedoch meistens zu spät. Auf jeden Fall gibt es
zahlreiche Grenzen.
Vor drei Jahren, war ich in der Kabylei im Gefängnis, weil
ich die Moschee neben einer Polizeistation fotografiert hatte. Auch
Frauen, langbärtige Muslimisten, Moscheen, Läden oder Wände vor denen
Stühle mit zwei Beinen stehen oder sonst irgendjemand der sich irgendwie
gestört fühlen könnte. Also wenn ich jetzt so darüber nachdenke, darf
ich eigentlich überhaupt nichts und niemanden fotografieren. Naja Blumen
gehen vielleicht noch. Aber erst nach dem ich sie gefragt habe, ob sie
nichts dagegen haben. Mimosen wollen in der Regel nicht fotografiert
werden. Ach und Steine darf ich auch fotografieren. Die haben sich
bisher noch nicht beschwert. Besonders schwere Steine beschweren sich in
der Regel nie.
Auch völlig problemlos lassen sich sind
Nonnen fotografieren. Davon gibt es hier verschiedene. Katholische,
Evangelikale und andere. Als ich gefragt habe, welche es den noch gibt,
hieß es: „Mäträze?“ Was??? Das kann unmöglich sein!!! „Wie bitte??? „Mer
Treize“ Und ich dachte mir…hm, was für ein eigenartiger Orden.
„Dreizehntes Meer“ Orden… vielleicht wegen dem Mittelmeer… hab ich ja
noch nie was von gehört. Bis ich Schwester Jesual mit ihren weißen
Kopftuch mit blauen Streifen sah. Plötzlich ratterte es heftig in meiner
Birne. Mère Teresa heißt es auf französisch und bedeutet „Mutter
Theresa“ auf Deutsch.
Doch…
denn Orden kenne ich. Nur hätte ich ihn jetzt nicht in Algiers
erwartet. Tja, so kann man sich irren. Gefühlt war es so, als hätte ich
irgendwo im Amazonas eine Moschee gefunden. Sovonwegen, „Hey, was macht
ihr denn hier?“ Und die Antwort lag auf der Hand oder Schwester Jesual
aus Albanien im Mund. „Den ärmsten der Armen helfen.“ Und diese
sympatische Frau sagt das mit einer Überzeugung und mit einer
Gutmütigkeit, die jeden Zweifel in mir, wie eine Tsunamiewelle
weggeschwemmt hat. War ich eben noch überheblich und habe mich gewundert
und gefrag; was wollen „die“ denn hier, war es mir nun plötzlich klar
und es machte absolut Sinn. „Na klar sind die hier. Wenn nicht hier, wo
dann und wenn nicht die, wer dann?“ Erstaunlich, wie die Augen einer
gutmütigen Frau meine Arroganz so schnell wegwischen und mein Herz
eroberen kann. Ich schöre es… Ich hatte überhaubt keine Chance. Soviel
steht fest.
Die
37 Jährige widmet sich gegenüber der katholischen Basilika „Notre Dame
de Africa“ in einem Kindergarten der Erziehung muslimischer Kindern aus
armen Verhältnissen. Mit fließendem arabisch, mit ägyptischen Dialekt,
betreut sie mit ihren 4 anderen Ordensschwestern die 27 Kinder im Alter
zwischen vier und 14 Jahren. Dies macht sie nun schon seit 8 Jahren in
Algiers und vorher tat sie dies in Ägypten, was ihren Dialekt erklärt.
„Ist es nicht auch hart, so ein Leben zu führen“, wollte ich wissen.
Schließlich besitzt sie außer ihrer Kleidung in zweifacher Ausführung
nichts und nicht einmal die gehört ihr. Und sie antwortet mit einem
glückseligen Lachen, dass mich fast umhaut: „ja klar ist es das
manchmal. Aber es ist so schön. Wir lieben es!“ und ich denke mir: Ja,
genau… was braucht der Mensch außer Wasser, Luft, etwas zu Essen und
bedingungslose Liebe um glücklich zu sein, und sie fügt hinzu: „Es ist
eine persönliche Reise auf der wir uns
befinden, der uns Jesus und Gott näher bringt. Wir haben das
verinnerlicht und über unsere eigene materielle Armut verstanden, dass
es darauf nicht ankommt. Es sind nicht die matteriellen Dinge, die
jemanden glücklich machen. Das ist unsere tiefste Überzeugung.“ Und ich
denke mir, diese Frauist vielleicht arm und hat keinen Cent aber ihr
Herz ist so reich an Liebe, was will man mehr. „Klar ist es manchmal
hart“, fährt sie fort, „aber es ist so schön und wir lieben es. Wir
fühlen uns grenzenlos frei und sind absolut glücklich dabei.“ Baaammm.
Da hast Du’s. Du nach
Sicherheit-strebendes-Wohlstands-verwöhntes-europäisches-Konsum-Mistkind-aus-Hamburg-City.
Noch fragen? Die Grenzen der Glückseligkeit sind im Kopf!!!!
Teil Acht "Konvertieren oder nicht Konvertieren, das ist hier die Frage" Christen in Algier
Teil Acht "Konvertieren oder nicht Konvertieren, das ist hier die Frage" Christen in Algier
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Ein
christlicher König zog mit seinem Gefolge durch ein muslimisches Land.
Der Muezzin, also derjenige, der die Arschkarte gezogen hat und fünf mal
am Tag auf die Spitze des Minaretts steigen muss, um die Gläubigen zum
Gebet zu rufen und sich dabei die Seele aus dem Leib schreien darf, tat
dies so talentiert, dass selbst Dieter Bohlen bei Deutschland sucht den
Superstar (Wobei es in diesem Fall eher heißen müsste „Deuschland sucht
den Super Muezzin“) beeindruckt gewesen wäre.
Als der König dann aber an
einem anderem Dorf vorbeikam und der Muezzin die Gläubigen mit einer
Stimme zum Gebet rief, dass dazu einlud sofort zu flüchten und das Weite
zu suchen, beauftragte der christliche König seinen Knappen ein
Beutelchen Dukaten an den Muezzin mit der Krähenstimme zu bringen. Der
Knappe war irritiert, weil das Goldkehlchen doch eine viel schönere
Stimme hatte als die Krähenstimme. Der König aber meinte: „Ja, aber
wegen dem Goldkehle, wäre ich fast konvertiert“
So ähnlich erging es mir,
als ich heute zum zweiten Mal in der Basilika Notre Dame d’Afrique war.
Dieses mal wollte ich die Schwester, die aus der Schweiz kam, treffen.
Prinzipiell habe ich ja sehr viel Sympathie für die katholische Kirche
und ich habe schon zahlreiche Disputationen geführt, um die Theologie,
speziell die Scholastik des Thomas von Aquin, zu verteidigen. Aber der
Lektor der Basilika…
Als
ich eigentlich mit Schwester Gertrude das Interview führen wollte und
mein Diktiergerät mit Mikrofon rausholte, fragte mich Lektor Bernard
zugleich, was ich damit wolle: „Alter, was kann man alles mit einem
Mikrofon machen?“ wollte ich ihn fragen, habe aber gesagt: „Ich möchte
unser Gespräch aufzeichnen, damit ich mir alles merken kann, was wir so
reden.“ Nach einem kurzem hin und her hat er dann eingewilligt. Dann
führe ich ein vorbereitendes Gespräch für das Interview mit ihm, mache
das Mikrofon an und halte es im unter die Nase. Er war ganz verwundert,
als hätten wir vorher, in dem Vorbereitungsgespräch, über das Rezept für
eine Brokkolisuppe gesprochen.
Irgendwann
stelle ich also meine Fragen: „Können sie mir etwas über diese Kirche
und ihre Funktion in dieser Kirche erzählen?“ Erso, winkt ab, deutet auf
mein Mikrofon und meint damit, dass ich es bitte ausschalten möge. Er
wieder total verwundert, dass ich mit ihm ein Interview führen möchte.
„Digga, checkst Du eigentlich warum ich hier bin und ein Mikrofon in der
Hand halte? Von meiner Spiegelreflexkamera, dass ich um die Schulter
geschnallt habe, mal ganz abgesehen.“ wollte ich sagen, habe aber
gesagt…
Irgendwann
wende ich mich Schwester Gertrude zu: „Wann sind nach Algerien
gekommen“ Sieso: „Oh ich bin schon über 50 Jahre in Algerien. Ich bin
1959 als Schneiderin in zu den Schwestern dazu gekommen.“ Ich so, wauw:
„Sie sind vor 50 Jahren hergekommen, dass heißt ja noch vor dem
Unabhängigkeitskrieg…“ Zack war Lektor Bernard wieder im Spiel, winkt
wild mit den Händen und will, dass ich mein Mikrofon ausschalte. Erso:
„Keine politischen Fragen, bitte.“ Ichso, „Waaas? Das war doch keine
politische Frage Digggga! Vielleicht eine historische…“ wollte ich
sagen, habe aber die Klappe gehalten.
Whatever: „Schwester
Gertrude. Können sie mir den Unterschied zwischen den Schwestern des
Mutter Theresa Ordens und den Nonnen der katholischen Kirche erklären.“
Zack… wieder Lecktor Bernard mit seinen wildgewordenen Händen…. Erso:
„Es gibt keinen Unterschied… bla bla bla.“ Ich so: „Okey, dann kann sie
es mir doch einfach sagen, dass es keinen Unterschied gibt“ ganz zu
schweigen davon, dass es natürlich einen himmelweiten Unterschied gibt,
aber was soll’s.“ wollte ich sage, habe aber gesagt…
Lektor
Bernardso: „Sie müssen die Frage anders stellen“ Ichso: „Äh…ja…okey…,
könne sie mir die Gemeinsamkeiten zwischen ihrem und dem Orden der
Mutter The…“ Lektor Bernard schägt wieder mit seinen Händen Alarm als
wäre er ein Fluglotse (Digga ich sitze neben dir und ahne was du willst
und ich mache das Scheiß Micro aus. Nur hör endlich auf mit deinen
Scheiß Händen zu winken) Erso: „Nein sie müssen die Frage anders
stellen.“ Ich so: „Digga, scheiß auf die scheiß Frage, dann erzähl mir
doch einfach was du mir erzählen willst, auch wenn ich eigentlich mit
Schwester Gertrude sprechen wollte, aber egal.“ Wollte ich sage, habe
aber…
Ich halte ihm das Mikrofon
unter die Nase: „Bitte“ Erso verwirrt. „Ja“ Ichso: „Bitte, dann erklären
sie es mir einfach. Vergessen sie die Frage“ Und Lektor Bernard
zunächst etwas irritiert und verwirrt, legt dann aber los und erzählt
irgendeine Scheiße. Ich so: „Ja ja ja super total interessant, vielen
dank und tschüß.“
Wäre ich noch gestern wegen
dem Sprit und dem Charisma der Schwester Jesual des Mutter Theresa
Ordens konvertiert, bleibe ich wegen Lektor Bernhard lieber da wo ich
bin.
Übrigens
sind die Muezzin hier sooo schlecht, dass man das Gefühl bekommt, ich
will flüchten, Ohropax in meinen Ohren stecken oder den Muezzin
erschießen. Was sie aber auf gar keinen Fall schaffen ist. dass mich das
gejaule der Muezzin in Algerien dazu bekommen in die Moschee zu locken.
Teil Zehn "Heute, vor fünfzig Jahren"
Teil Zehn "Heute, vor fünfzig Jahren"
Vollbild
…
Es ist genau 50 Jahren her, da wurde im französischen Evian-les-Bains am
18.03.1962 der Waffenstillstand zwischen Frankreich und Algerien
unterzeichnet. Am 19.03.1962 trat er in Kraft und markierte das
offizielle Ende eines Krieges, den Frankreich erst 1999 als Krieg
anerkannte. Über sieben Jahre dauerte dieser Krieg und war einer der
blutigsten und brutalsten Unabhängigkeitskriege auf dem afrikanischen Kontinent. Er kostete mehr als einer halben Millionen Menschen das Leben.
von Özgür Uludag
„Ich
war froh als der Waffenstillstand unterschrieben wurde. Mir war jedoch
klar, dass das nicht das Ende, sondern der Anfang eines langen Weges
sein würde“, sagt Idir Ben Khider, ein ehemaliger Moudjahidine, wie die
Unabhänigkeitskämpfer der FLN, der Front de Libération National,
genannt werden. Und er sollte Recht behalten. Noch lange nach der
Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages, dem „Accords d’Évian“,
gab es blutige Auseinandersetzungen, Rachefeldzüge und
Vergeltungsschläge auf beiden Seiten.
Es muss dem damaligen
Präsidenten Frankreichs, Charles de Gaulle, klar gewesen sein, dass
Algerien, dass bereits 1830 gegen die Osmanen erobert wurde, viel Blut
kosten würde, um es halten zu könnten. Bereits im Januar 1960 probten
französisch-nationalistische Offiziere in dem als „Barrikadenputsch“
bekannt gewordenen Aufstand gegen den eigenen Staat und mussten später
kapitulieren. Am 22. April 1961 putschten vier hochrangigen Generälen
und warfen de Gaulle „Verrat“ vor, weil er bereit war Algerien in die
Unabhängigkeit zu entlassen. Doch nach dem zweiten Weltkrieg und den
verlustreichen Schlachten in Indochina, speziell in Dien-Bien-Phu, war
die Strapazierfähigkeit der Armee und der Bevölkerung in Frankreich
ausgereizt und viele Kolonien mussten in der Folge bereits in die
Unabhängigkeit entlassen werden.
Über Jahrhunderte gebaut und in Minuten zerstört
Dies sollte jedoch mit
Algerien, dass aus der französischen Perspektive eben keine Kolonie
darstellte, sondern eine Erweiterung des europäischen Mutterlandes war,
nicht passieren. Mehr als ein jahrhundertlang wurden abertausende
Araber und Berber vertrieben und das fruchtbare Land an der Küste und in
den Bergen den französischen Siedlern zugewiesen. Das sollte mit Beginn
der Unabhängigkeitsbestrebung der Algerier sein Ende finden. Viele
Generationen kämpften bereits für diese Unabhängigkeit und gegen die
Unterdrückung. Auch Ben Khidir wollte dafür kämpfen: „Wir hatten genug
von dieser Unterdrückung und wollten uns wehren.“ Der Kabyle hatte
miterlebt, wie sein Dorf von Kampfflugzeugen zerstört wurde. „Über
Jahrhunderte wurde unser Dorf aufgebaut und dann von den Franzosen
innerhalb von wenigen Minuten zerstört.“
Obwohl am Rande von Algier in dem Fischerdorf Rais Hamidou sich
in einer unscheinbaren Gasse die damaligen sechs Anführer der FLN
versammelten und beschlossen fortan dem militärisch, organisatorisch und
finanziell weit überlegenen Gegner gemeinsam entgegenzutreten, waren
die Chancen zwar nicht viel aussichtsreicher als zu vor, aber dafür
entschlossener und etwas besser organisiert. Hier wurde beschlossen,
dass der Kampf zu den Franzosen getragen werden sollte, was bedeutete,
dass die Auseinandersetzungen nicht mehr nur auf dem Land, sondern auch
in den Städten und vor allem in der Altstadt, der Kasbah, Algiers
ausgetragen werden sollte.
Den „Pieds-Noirs“ und den „Harkis“ drohte Mord und Totschlag
Obwohl die Franzosen
militärisch überlegen waren, hatten sie es nicht leicht. Die
Französische Siedler wurden Opfer von Anschlägen und Rachefeldzügen des
bewaffneten Arm der FLN, der sich ALN (Armée de Libération Nationale)
nannte. Viele Franzosen kannten das europäische Frankreich gar nicht.
Die „pieds-noirs“ genannten algerischen Franzosen lebten bereits seit
Generationen in Algerien und sollten nun das Land, Hof und Häuser wieder
den Arabern und Berbern zurückzugeben. Für sie bedeutete es alles
aufzugeben und in Frankreich neu anzufangen, denn in Algerien drohte
ihnen Mord und Totschlag. Auch den algerischen Helfer in der
französischen Armee, den „Harkis“ erging es nicht besser. Sie wurden
zunächst von der französischen Armee entwaffnet und sich selber
überlassen. Auch ihnen drohte in dem „neuen“ Algerien als Verräter und
Kollaborateure der Tod. Viele von ihnen haben versucht sich nach
Frankreich durchzuschlagen.
Aber die Siedler waren
nicht der Hauptgrund, weswegen Algerien ein besonders schmerzvoller
Verlust für die Franzosen darstellte. Noch am 20. Mai 1961 hatte de
Gaulle versucht am Verhandlungstisch in Evian die Kontrolle über Gebiete
in der Sahara zu behalten, weil dort große Rohstoffreserven vermutet
wurden. Außerdem gab es dort Testanlagen für die atomare Bewaffnung.
Zunächst wurden die Gespräche ohne Ergebnis abgebrochen. Später dann
erkannte de Gaulle die Sahara als algerisches Territorium an, konnte
dafür aber die Nutzung der Atombombentestanlage ebenso wie einige
Marinestützpunkte unter anderem Mers-el-Kebir Frankreich für 5 weitere
Jahre sichern. Mehr war für die Franzosen ohne Blutvergießen nicht
drin.
„die Angelegenheit liegt ein halbes Jahrhundert zurück.“
„Es
ist inzwischen ein halbes Jahrhundert her und ich hege kein Groll mehr
gegenüber den Franzosen“, sagt Idir Khidir. Der alte Kriegsveteran lebt
im Atlas-Gebirgen in der großen Kablyai. „Wir haben andere Probleme, als
uns um Angelegenheiten zu kümmern, die ein halbes Jahrhundert zurück
liegen.“ Das sehen der französische Präsident Nikolas Sarkozy, der sich
im Augenblick im Wahlkampf befindet und die Stimmen der „Pieds-Noirs“
braucht, aber auch der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika, der
ohne ein Schuldeingeständnis der Franzosen, sein Gesicht verlieren
würde, ganz anders und das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht so
schnell ändern. Auch 50 Jahre nach dem Waffenstillstandsabkommen bleiben
die Fronten verhärtet.
Ein Gedicht, vorgetragen von einem Veteranen
Ein Gedicht, vorgetragen von einem Veteranen
Teil Elf „Das schlechte Gewissen“
Teil Elf „Das schlechte Gewissen“
Vollbild
Langsam
wünsche ich mir, dass ich mal ein Tag entspannen kann. Aber heute war
das nicht machbar. Dafür hatte ich einfach zu viele Termine. Zunächst
war heute Morgen der Minister für Fischerei in unserem Hafen. Erstens…
ja es gibt einen Minister für Fischerei und zweitens… ja es ist unser
Hafen. „La Plage Ali la Pointe!“ Und ich voll so krass
VJ(Videojournalisim)-mäßig unterwegs. Kam der „Chef de la Securite“ auf
mich zu. Ichso: Psssst.“ und zeige auf meine Kamera, die gerade
aufnimmt. Der Chef de la Securiteso, voll so angepisst, weil ich voll so
nicht akkreditiert war. Mirso voll egal. Und das hat nur funktioniert,
weil der Bürgermeister von Rais Hamidou Bescheid wusste. Der Minister
kam, er sah und ging. Das war’s. Er hörte sich kurz an, was der Bürgermeister
von Rais Hamidou so für den Hafen und die Fischerei getan hat. Dafür
wurde die Umgebung etwas aufgefrischt. Wände haben ein bisschen Farbe
bekommen. Der allgegenwärtige Müll wurde weitestgehend beseitigt und
eine Armada von Polizisten wurde vorausgeschickt, damit sie die
chronisch verstopften Straßen räumen. Als „le Ministre“ sich dann ein
Bild von der Situation vor Ort gemacht hat, machte er sich auch schon
auf den Weg. Doch plötzlich wurde er von einem Aktivisten der
„Association de Envoirment“ aufgehalten und er wies den Minister
daraufhin, dass an vielen Stellen, dass Abwasser
der Haushalte ungeklärt ins Meer geleitet wird und so weiter. Der
Ministerso: „hmmm. Okey“ stieg in sein Auto und ließ sich davon fahren.
Als der Mann der „Association de Envoriment“ in meine Kamera sagte,
worum es ging, bildete sich ruck zuck eine Traube um uns. Als ich dann
fertig war mit meinen Fragen und ging, musste sich der Mann der
„Association de Envoirment“ noch minutenlang rechtfertigen.
Soweit ich es verstanden hatte, fand ich seine Forderungen berechtigt. Doch das schien hier den meisten irgendwie Fremd zu sein. Überhaupt kann man hier nicht gerade sagen, dass man etwas von Umweltschutz versteht. Als ich irgendwann in den letzten Tagen versucht habe, den Leuten hier klar zu machen, dass Sie ihren Kaffee nicht irgendwo kaufen dürfen, weil sie damit Sklaverei unterstützen, haben die mich ausgelacht. Dieso: „Was gehen uns irgendwelche Afrikaner an.“ Ichso: „Der meiste Kaffee kommt aus Süd-Amerika“. Dieso: „Die interessieren uns noch weniger.“ Und lachen mich noch mehr aus. Ich habe gar nicht erst versucht, klar zu machen, dass es auch bei Thunfisch, Schokolade und vielen anderen Produkten ähnlich sei. Hier lassen sie die Autos auch gerne mal stundenlang laufen, weil sie vergessen haben den Motor auszuschalten. Ich dachte er würde gleich weiterfahren und nur kurz etwas aus dem Café holen. Aber nein, er setzt sich hin und bestellt sich ein Kaffee. Ichso: „Digga, der Motor läuft noch“ Erso: „Echt, achso. Okey“ und macht ihn aus.“ Das Bewusstsein für Umweltschutz und der Notwenigkeit sich gesund zu ernähren, geht asymptotisch gegen Null. Wenn sich hier jemand gesund ernährt, dann passiert dass zufällig. Nach meinem Termin an unserem Hafen, bin ich in den Bus gestiegen und wollte zu meinem zweiten Termin in einem Bidonville, was in der Türkei Gecekondu heißt und „Über-Nacht-gebaut“ bedeutet. Der Busfahrer steckt sich entspannt eine Zigarette an und raucht während der Fahrt easy seine Zippe. Ich so, seit ich „Nichtraucher“ bin, voll so irgendwie schockiert. Eine stämmige Frau mit Kopftuchso, sagt irgendwas auf arabisch, sovonwegen: „Ey…Zigarette hier voll so nicht erlaubt undso oder so ähnlich“ der Busfahrerso, auf arabisch antworten. Sovonwegen: „Scheiß auf Dich und Deine Meinung.“ Die Frauso, fängt jetzt erst so richtig an sich zu streiten und die Leute mischen sich mit ein, bis der bekackte Busfahrer seine Zippe, die halb zu Ende geraucht war, aus seinem Fenster schmiss. Also mit der Frau hätte ich mich auch nicht anlegen wollen. Feststeht aber, diese Frau mit Kopftuch wird mal so von überhaupt niemanden unterdrückt. Da kann sich Alice Schwarzer noch die nächsten 50 Jahre die Kehle aus ihrem Hals diskutieren und versuchen gegen das Kopftuch zu kämpfen. Diese Frau im Bus, wird das wohl nicht brauche. Ich finde sowieso, dass diese Schwarzer fundamentalistischer ist als jeder andere Extremist. Aber egal… In dem Bidonville angekommen mache ich mir plötzlich heftig sorgen, ob es wirklich eine gute Idee war hier her zukommen. Schließlich habe ich Equipment dabei, dass mehrere tausend Euro kostet und kein Arsch hier weiß, dass ich derbe der Wong-Fei-Hong Karate-Killer mit einem Messer in der Tasche bin. Die „Hetist“, wie die Jugendlichen, die die Wände festhalten und aufpassen, dass sie nicht umfallen, schauen auch schon neugierig. Wie so Geier die warten bis ihr nächste Mahl verreckt. Die schauen sovonwegen: „Wer ist der Spinner mit der derben Kamera und was wagt der es hier in unsere Viertel zu kommen.“ Und sie haben Recht. Ich hätte es in der Tat nicht gewagt, wenn ich hier nicht jemanden kennen würde, der mich protegiert und auf dessen Schutz ich mich verlassen kann. Ich gebe zu, ich bin naiv und leichtsinnig, aber nicht so doof und planlos. Als ich bei meinem Gast angekommen bin und sehe, wie bescheiden sie mit mehreren Personen in so einer Hütte leben müssen, die ständig nach starken Regenfällen durch herunterstürzende Schlammmassen weggespült werden, habe ich irgendwie ein schlechtes Gewissen. Wie kann ich mir nur ein Objektiv für 2000 Euro kaufen, wie kann ich mir nur Schuhe für fast 100 Euro kaufen, wie kann ich mir nur eine Uhr für 1000 Euro kaufen…. Wie kann ich so viel Geld für so viel Scheiße ausgeben, während Menschen mit 100 Euro im Monat eine Familie ernähren müssen. Das Equipment dass ich in meinem Rucksack mit mir schleppe würde hier eine Familie für 5 Jahre über die Runden bringen. Ich kann es nicht fassen, dass ich so viel Geld ausgebe, um hier herzukommen und mir anzusehen, dass die kein Geld haben. Als hätte ich das nicht alles auch vorher schon gewusst. Ich komme mir mit meinem Scheiß-Equipment vor als wäre ich im Zoo und ich habe nicht mal Eintritt bezahlt. Jedes Foto, dass ich hier mache erzeugt bei mir schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass ich gleich nach Hause fahren werde und mich entspannt in mein drei Zimmer-Appartment legen werde und mir den Wanz voll stopfen werde. Gerechtigkeit ist irgendwie etwas anderes.
Soweit ich es verstanden hatte, fand ich seine Forderungen berechtigt. Doch das schien hier den meisten irgendwie Fremd zu sein. Überhaupt kann man hier nicht gerade sagen, dass man etwas von Umweltschutz versteht. Als ich irgendwann in den letzten Tagen versucht habe, den Leuten hier klar zu machen, dass Sie ihren Kaffee nicht irgendwo kaufen dürfen, weil sie damit Sklaverei unterstützen, haben die mich ausgelacht. Dieso: „Was gehen uns irgendwelche Afrikaner an.“ Ichso: „Der meiste Kaffee kommt aus Süd-Amerika“. Dieso: „Die interessieren uns noch weniger.“ Und lachen mich noch mehr aus. Ich habe gar nicht erst versucht, klar zu machen, dass es auch bei Thunfisch, Schokolade und vielen anderen Produkten ähnlich sei. Hier lassen sie die Autos auch gerne mal stundenlang laufen, weil sie vergessen haben den Motor auszuschalten. Ich dachte er würde gleich weiterfahren und nur kurz etwas aus dem Café holen. Aber nein, er setzt sich hin und bestellt sich ein Kaffee. Ichso: „Digga, der Motor läuft noch“ Erso: „Echt, achso. Okey“ und macht ihn aus.“ Das Bewusstsein für Umweltschutz und der Notwenigkeit sich gesund zu ernähren, geht asymptotisch gegen Null. Wenn sich hier jemand gesund ernährt, dann passiert dass zufällig. Nach meinem Termin an unserem Hafen, bin ich in den Bus gestiegen und wollte zu meinem zweiten Termin in einem Bidonville, was in der Türkei Gecekondu heißt und „Über-Nacht-gebaut“ bedeutet. Der Busfahrer steckt sich entspannt eine Zigarette an und raucht während der Fahrt easy seine Zippe. Ich so, seit ich „Nichtraucher“ bin, voll so irgendwie schockiert. Eine stämmige Frau mit Kopftuchso, sagt irgendwas auf arabisch, sovonwegen: „Ey…Zigarette hier voll so nicht erlaubt undso oder so ähnlich“ der Busfahrerso, auf arabisch antworten. Sovonwegen: „Scheiß auf Dich und Deine Meinung.“ Die Frauso, fängt jetzt erst so richtig an sich zu streiten und die Leute mischen sich mit ein, bis der bekackte Busfahrer seine Zippe, die halb zu Ende geraucht war, aus seinem Fenster schmiss. Also mit der Frau hätte ich mich auch nicht anlegen wollen. Feststeht aber, diese Frau mit Kopftuch wird mal so von überhaupt niemanden unterdrückt. Da kann sich Alice Schwarzer noch die nächsten 50 Jahre die Kehle aus ihrem Hals diskutieren und versuchen gegen das Kopftuch zu kämpfen. Diese Frau im Bus, wird das wohl nicht brauche. Ich finde sowieso, dass diese Schwarzer fundamentalistischer ist als jeder andere Extremist. Aber egal… In dem Bidonville angekommen mache ich mir plötzlich heftig sorgen, ob es wirklich eine gute Idee war hier her zukommen. Schließlich habe ich Equipment dabei, dass mehrere tausend Euro kostet und kein Arsch hier weiß, dass ich derbe der Wong-Fei-Hong Karate-Killer mit einem Messer in der Tasche bin. Die „Hetist“, wie die Jugendlichen, die die Wände festhalten und aufpassen, dass sie nicht umfallen, schauen auch schon neugierig. Wie so Geier die warten bis ihr nächste Mahl verreckt. Die schauen sovonwegen: „Wer ist der Spinner mit der derben Kamera und was wagt der es hier in unsere Viertel zu kommen.“ Und sie haben Recht. Ich hätte es in der Tat nicht gewagt, wenn ich hier nicht jemanden kennen würde, der mich protegiert und auf dessen Schutz ich mich verlassen kann. Ich gebe zu, ich bin naiv und leichtsinnig, aber nicht so doof und planlos. Als ich bei meinem Gast angekommen bin und sehe, wie bescheiden sie mit mehreren Personen in so einer Hütte leben müssen, die ständig nach starken Regenfällen durch herunterstürzende Schlammmassen weggespült werden, habe ich irgendwie ein schlechtes Gewissen. Wie kann ich mir nur ein Objektiv für 2000 Euro kaufen, wie kann ich mir nur Schuhe für fast 100 Euro kaufen, wie kann ich mir nur eine Uhr für 1000 Euro kaufen…. Wie kann ich so viel Geld für so viel Scheiße ausgeben, während Menschen mit 100 Euro im Monat eine Familie ernähren müssen. Das Equipment dass ich in meinem Rucksack mit mir schleppe würde hier eine Familie für 5 Jahre über die Runden bringen. Ich kann es nicht fassen, dass ich so viel Geld ausgebe, um hier herzukommen und mir anzusehen, dass die kein Geld haben. Als hätte ich das nicht alles auch vorher schon gewusst. Ich komme mir mit meinem Scheiß-Equipment vor als wäre ich im Zoo und ich habe nicht mal Eintritt bezahlt. Jedes Foto, dass ich hier mache erzeugt bei mir schlechtes Gewissen, weil ich weiß, dass ich gleich nach Hause fahren werde und mich entspannt in mein drei Zimmer-Appartment legen werde und mir den Wanz voll stopfen werde. Gerechtigkeit ist irgendwie etwas anderes.
Teil Zwölf "Das philosophische Café"
Teil Zwölf "Das philosophische Café"
Vollbild
Ich bin selber neugierig, wie lange ich es noch durchhalte und
wirklich jeden Tag ein Blog schreibe. Doch so lange ich hier etwas
erleben, von dem ich mir denke, dass will ich einfach aufschreiben, so
lange schreibe ich es einfach auf. Und auch heute als ich im Café saß,
dachte ich mir, dass musst Du nachher aufschreiben. Und jetzt sitze ich
mal wieder bis spät in die Nacht und schreibe es auf, denn was ich
erlebt habe, kann man eigentlich nicht aufschreiben Man hätte es
miterleben müssen. Aber der Reihe nach…
Ich
habe neulich die Algerien-Reportage von Annkathrin Lammers aus dem
ARD-Studio Madrid, dass für den Maghreb zuständig ist, gesehen und
dachte mir, wer diese Reportage sieht, der muss denken, dass Algerien
ein Gefängnis ist. Passenderweisen heißt die Reportage auch „Gefängnis
der Angst“. Irgendwie dachte ich mir; Vielleicht hat sie ja recht. Der
Friedenspreisträger und Berlinale Jurymitglied Boualam Sansal ist
immerhin Hauptankläger und roter Faden in der Reportage. Zwar kommt auch
nur der Ankläger zu Wort und keine Gegenmeinung, was nicht gerade für
journalistische Objektivität spricht, aber ich weiß ja, dass es
schwierig ist hier jemanden dazu zu bewegen irgendetwas in die Kamera zu
sagen und sei es einfach nur „Hallo“.
Aber
ich dachte mir, wenn ich dann schon mal hier bin, habe ich ja die
Chance die Thesen und Aussagen in der Reportage auf Herz und Nieren zu
prüfen. (Um die Thesen geht es hier jetzt aber nicht im Einzelenden. Die
werde ich irgendwann mal gesondert behandeln) Also dachte ich mir, gehe
ich mal in ein Café und zettel eine heftige Diskussion an, weil ich die
Erfahrung gemacht habe, das in solchen Café’s im Orient die
Diskussionskultur noch sehr viel ausgeprägter ist als bei uns. Also ab
ins Café und direkt mit der These eine Blutgrätsche wagen. Ichso, in die
Runde: „Euer Land ist ein Gefängnis!!!“ Und die Antwort ließ auch nicht
lange auf sich warten: „Was??? Wieee??? Gefängnis?? Wer bist Du???“
Meine Begleitung, die bereits häufiger in die Bresche springen mussteso:
„Ah, dass der Besuch von dem Bruder von unserem Abu Jamal. Sein
Bonfrere aus Deuschland.“ Ichso: Phu… gerade noch mal gut gegangen. Aber
gleich noch mal schnell Öl ins Feuer gießen, bevor die erste Empörung
vorüber istso: „…und was ist jetzt mit Euerm Land?“ Die ersten
zarghaften Äußerungen werden mir von meiner Begleitung übersetzt: „Nein,
ach was“…“wieso Gefängnis?“ Ichso, gleich weiter mit so’ner derbe
steilen These: „Naja Eurer Bouteflika ist ein Diktator und ihr seit
nicht frei.“ Und alleso im Chor, dass man auch ja niemanden wirklich
versteht: „Waas? …gar nicht wahr. …alles westliche Propaganda usw…“
Ichso mit der Narrenfreiheit eines Ausländers, der es nicht besser weiß
und ja nur fragt, weil es es wissen will, geschickt provozierend:
„Okey,, wenn Eurer Land frei ist, dann darf ich mich hier hinstellen und
laut schreien: Bouteflika ist SCHEIßE!!!“ Aber offenbar
habe ich den Nerv getroffen. Denn nun fangen die Leute zu diskutieren.
Nur leider nicht mit mir. Ich verstehe zwar nur die Hälfte, bzw.
eigentlich nur ein Drittel und manchmal auch nur zwei/fünftel oder
weniger, auf alle Fälle eben nur ein Bruchteil, von dem, was dort so
diskutiert wird und mein Dolmetscher dolmetscht auch nicht mehr, sondern
diskutiert mit. Ichso: „äh… hallo… ich bin auch noch da??? …“ Naja… ich
bin ja auch gar nicht so wichtig. Ich merke aber es geht offenbar um
die These, dass ich sagen können muss, was ich will, was es sich um ein
freies Land handelt.
Irgendwann
kommt man zu dem Schluss, dass es zwar kein freies Land ist, aber es so
auch besser ist, weil man sich hier sonst wieder, wie in den neunziger
Jahren, selber zerfleischen würde. Dafür braucht man inzwischen nicht
mal mehr die Franzosen. Zu der These war auch Sansal in der Reportage
von Frau Lammers gekommen, als es im Text hieß, dass man hier nicht die
Wahl zwischen Krieg und Frieden hätte, sondern zwischen Krieg und Krieg.
… also ich finde diese These steiler als meine vorhin aufgeworfene
These. …wenn es um den Irak oder Afghanistan gehen würde… dann würde ich
vermutlich nicht widersprechen, aber ob das für Algerien auch so gültig
ist…. da habe ich irgendwie meine Zweifel. Meines Erachtens geht es
hier nicht um Krieg sondern um Terror, was natürlich irgendwie nicht
viel besser ist, aber dennoch ein Unterschied ist, weil der Grad der
Zerstörung, wie beispielsweise in Bosnien in einem Krieg erheblich höher
ist. Was hier passiert, bzw. passiert ist, ist dass viele verschiedene
Gruppen gegen andere Gruppen oder den Staat kämpfen indem sie über viele
Jahrzehnte Anschläge verüben und damit ein ganzes Land terrorisieren
und in Angst und Schrecken versetzt. Soweit stimmt der Titel der
Reportage eigentlich, aber ob es sich dabei auch um ein „Freiluft
Gefängnis“ (Zitat: Sansal) handelt? Auf jeden Fall haben die Machthaber
von Houari Boumedienne bis Abdelaziz Bouteflika mit harter Hand versucht
das Land zu befrieden in dem sie es bekriegen. So zumindest war am Ende
der Diskussion der Konsens. „Wir brauchen diese harte Hand. Mit
Freiheit und Demokratie können wir nichts anfangen. Das führt hier nur
zu Krieg. Was sollen wir mit einer Demokratie, wenn sie uns nur Krieg
bringt. Dann lieber Diktatur, aber dafür Frieden. Das ist besser so.“
Das wiederum ist eine steile Thesen von den Leuten im Café und klingt im
ersten Augenblick etwas masochistisch. Aber vielleicht haben sie nicht
ganz unrecht, wenn man sich nun die Entwicklung in Tunesien wo die islamistische Ennahda-Bewegung die Wahlen gewonnen hat,
oder in Ägypten, wo das Militär noch an den Schaltstellen des Staates
sitzen und die Bevölkerung die Muslim Bruderschaft gewählt hat und das
Land jetzt vor einer Zerreißprobe steht, vor der Algerien schon vor
Jahren stand und zerrissen wurde. Vor diesem Hintergrund ist die Frage,
ob man lieber Demokratie haben will oder nicht, gar nicht mehr so
einfach zu beantworten.
Auf
jeden Fall kennt mich jetzt jeder in Rais Hamidou. Ich bin der
verrückte mit der Kamera und den steilen Thesen. Jetzt wollen mir alle
beweisen, das ihr Land frei ist, schön und gastfreundlich ist. Was ich
zwar nie bezweifelt habe, aber jetzt ein Problem für mich ist, weil
jeder mich einladen will und das mit schrecklich süßem Gebäck und
Pfefferminztee. Dabei hatte ich mir vorgenommen etwas abzunehmen…
Teil Dreizehn Die hohe Kunst der Geduld
Teil Dreizehn Die hohe Kunst der Geduld
Vollbild
Es gibt viele Dinge, die ich
beherrsche. Einige Dinge von denen ich glaube sie zu können und dann
wiederum gibt es Dinge, von denen ich weiß, dass wird niemals meine
Stärke werden. Darunter gehört sicher die Geduld. Ich kann es nicht
lassen 10 Dinge gleichzeitig zu planen, zu wollen und dann auch zu
machen, und zwar sofort!!! Das Problem dem ich dann manchmal
gegenüberstehe ist, dass es auf Biegen und Brechen nicht klappt und ich
aber will, dass es klappt und ich ungeduldig werde, weil ich will das es
klappt usw. Ich werde dann manchmal unheimlich verbissen!!!. Das hat
bisher leider häufig gut funktioniert und ich habe damit viele Dinge
gleichzeitig machen können, verlorene Zeit aufgeholt und viel Erreicht.
Leider!!! Das ist ein Mechanismus der bei mir eben oft funktioniert hat.
Eigenartig ist dabei, dass ich dann in meiner Verbissenheit sehr
geduldig bin. Man könnte auch sagen ich sei stur! Es hat mich aber
bisher häufig weiter gebracht… immer nach dem Prinzip niemals
aufgeben!!!
Wenn ich es jetzt aber mit algerischen
Behörden zu tun habe, dann habe ich es nun mit einem System zu tun, der
mindestens so stur ist wie ich, denn ich warte schon seit Tagen auf die
Gelegenheit meine Drehgenehmigung zu erwirken. Das System weiß jedoch
nichts von seiner Sturheit und kann nicht daran arbeiten. Im Gegensatz
zu mir. Außerdem geht so was nicht mal in Deutschland schnell, was mir
aber scheißegal ist!!! Ich will meine Drehgenehmigung, sonst gehe ich
los und Drehe einfach!!! Und wenn das wie eine Drohung klingt… Ja es ist
eine. Ich hole meine berühmt gewordene Kalaschnikow Marke Canon 60D mit
meinem 70-200mm 2,8 IS USM Objektiv raus und dann heißt es „…seit 5:45
wird jetzt zurückgedreht“…. Aahhhh….
Okey
ganz ruhig bleiben… tief Luft holen, auf einen Berg steigen, entspannen
und die Ruhe genießen. Auf diesen verwegen Gedanken bin ich gekommen,
weil mir der Ratschlag einer sehr guten Freundin einfiel, die da meinte:
„Lieber Özgür, Guck Dir die Welt nicht nur durch die Kamera an.“ (Danke
an der Stelle für den Ratschlag) Also rauf auf den Hügel und die Zeit
genießen. (Ich gebe zu ganz ohne Foto konnte ich dann nicht, aber nach
diesem Selbstporträt habe ich die Kamera ausgeschaltet und mich mehrere
Stunden entspannt und mir Gedanken gemacht)
Das dumme nur ist, dass mich die Gedanke auch nicht glücklich machen.
Im Gegenteil. Mir geht’s irgendwie schlecht. Ich kann es kaum ertragen
mal nichts zu tun und einfach nur auf das Meer zu schauen. Ich
bin jetzt seit 12 Tagen hier und habe, dass, was ich machen wollte noch
nicht machen können, was mich eben sehr ungeduldig und unruhig macht.
Nun heißt es warten… und dieses Warten macht mich wahnsinnig. Es geht
nicht darum, zwei oder drei Stunden auf irgendetwas zu warte. Das sitze
ich locker auf einer Arschbacke ab. Ich war ja Taxifahrer. Ich habe also
professionell gewartet. Aber dieses tagelange Warten, ist nicht meine
Stärke. Und stundenlanges nichts tun auch nicht. Ich muss immer etwas
tun. Und sei es, wie auf den Berg, dass ich aus lauter Langweile
angefangen habe, Steine zu sortieren. Das klingt voll krank, aber es war
der armselige Versuch, die Langeweile zu ertragen. Ich empfehle jedem
den selbst versuch. Setzen sie sich mal an einen See und machen
stundenlang Nichts!!! Also ich kann das nicht.
Dabei ist Geduld eine Tugend, die man im Orient im allgemeinen haben
sollte. Und nun kenne ich die Art der Arbeit hier ja aus der Türkei und
ist mir daher prinzipiell nicht Fremd. Und es gibt Momente in denen ich
für Augenblicke sehr Geduldig bin. Das funktioniert auch für ein paar Minuten, Stunden aber eben nicht für Tage. Da werde ich nervös und ungeduldig.
Als ich mein Blick aber etwas abwende, sehe ich drüben ein Bidonville
und denke mir, wenn die von meiner Ungeduld wüssten, würden die mich
vermutlich auslachen. Was für Probleme man sich machen und einreden
kann. Als gäbe es nichts schlimmeres als mal nichts zu tun. Ist alles
schon irgendwie krank und nicht normal. So habe ich an diesem Tag mal
nichts gemacht als zu warten… nachzudenken…entspannen….
Am Ende des Tages hat es auch funktioniert. Es
war diese gefühlte unendliche Weite, die mich verrückt gemacht hat. Da
oben auf dem Berg. Von da oben, kann man wahrscheinlich kilometerweit
auf das Meer sehen und man kann keine Details erkennen. Während unten an
„unserem“ Hafen es trotz des unruhigen Wellengangs sehr viel
Entspannter ist, als da oben auf dem Berg. Hier kann ich die einzelnen
Wellen sehen und beobachten, wie sie sich sammeln, auftürmen und
brechen. Das entspannt mich. Das Nichts tun, macht mich wahnsinnig. Ich
muss etwas tun. Und sei es nur den Wellen beim brechen zu zuschauen. Was
für eine unterschätze hohe Kunst es doch ist, Nichts zu tun und dabei
auch noch entspannen zu können. Manchmal beneide ich Leute, die das
können.
Teil Vierzehn "Einmalige Augenblicke im Leben"
Teil Vierzehn "Einmalige Augenblicke im Leben"
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Ich war schon auf den heftigsten Partys.
Drogenpartys, Privatpartys, Großveranstaltungen, VIP-Partys,
Sylvesterpartys oder einfach nur Geburtstagspartys. Aber die heutige
Party wird mir ewig in Erinnerung bleiben, weil es eine Party an einem
besondererm Ort ist mit besonderen Menschen war.
Ich
bin in der Kabylei. Hoch oben im Atlasgebirge. Der wohl unbekannte Teil
Algeriens. Die grüne von Bergen und Tälern zerklüftete Landschaft ist
seit jeher eine unruhige Gegend mit einem kämpferischen Volk. Es sind
keine Araber, sondern Berber die hier leben. Besser gesagt. Es handelt
sich um Kabylen vom Volk der Amazir. Auch die Tuareg sind Amazir. Die
leben aber in der Wüste, während die Kabylen in den Berge leben. Der
Blick auf den Gebirgszug Gurgura mit seinen Schneebedeckten Gipfeln
erinnert mich sehr an die Alpen. Überhaupt erinnert mich die Kabylei
sehr an Österreich oder die Schweiz. Manchmal ist es schwer zu glauben,
dass man sich in Algerien befindet. Die
neue Autobahn, die von Tunesien bis Marroko hier durchführt, erweckt
auch den Eindruck, als wäre man in Europa. Das einzige, was etwas
irritiert, sind die Wachtürme, die auf fast jedem wichtigen Hügel in der
Gegenstehen. Schon wenn man der Kabylei näher kommt, vermitteln diese
Türme den Eindruck, dass es hier selten friedlich zugeht. Es gibt in
ganz Algerien Straßenkontrollen, aber die in der Kabylei sind besonders
stark befestigt. Wachtürme,
Straßenkrallen und Betontonnen, die im Slalom umfahren werden müssen,
machen klar; dies ist ein Gebiet in dem immer noch der Ausnahmezustand
herscht. Es herscht eine trügerische idyle, ähnlich wie 1991 in Bosnien.
Auch Bosnien ist ein von Bergen und Tälern geprägte Landschaft, mit
gastfreudlichen Menschen. Bis der Krieg ausbrach. Da war es dann vorbei
mit der Idyle. Zumindest aus menschlicher Sicht. Die Natur blieb
natürlich Idylisch. Das ist manchmal seltsam. Die Vögel hören ja nicht
auf zu zwitschern und das Wasser hört nicht auf zu plätschern und die
Blumen hören nicht auf ihre Blüten zu zeigen, nur weil 10 meter weiter
30 Menschen auf übelsteweise massakriert werden.
Die Kabylei war schon während der
„Kolonialherschaft“ der Franzosen -dass hören die Franzosen sicher nicht
so gerne, den für sie war Algerien nie eine Kolonie, sondern
Mutterland- ein stetiger Herd der Unruhe und ein schwer zu
kontrolierendes Gebiet. Die lange Tradition der Kämpfe in der Kablyei
lässt sich auch in der Stadtarchitekur ablesen. Während in Österreich
und Bosnien oder anderswo die Dorfer im wesentlich fruchtbareren Tal
angesiedelt sind, wurden die Dörfer hier seit je her auf die Berg- und
Hügelrücken gebaut. Von dort oben, ließ sich eine Dorf sehr viel besser
verteidigen als im Tal.
Ich hatte mich schon lange auf meinen Aufenthalt in
der Kabylei gefreut. Die Menschen hier sind sehr Gastfreundlich. Um
nicht zu sagen übertrieben Gastfreundlich. Und eigentlich ist es für
mich nicht der richtige Zeitpunkt hier herzukommen, denn ich bin auf
Diät. Seit Dezember habe ich sagenhafte 13 Kilo abgenommen. Doch seit
ich nicht mehr rauche (Inzwischen schon 13 Tage nicht mehr) habe ich
Angst nun heftig zu zunehmen. Und die Gefahr ist in der Kabylei höher
als einem Terroranschlag zu Opfer zu fallen. Denn jede Familie, die hier
Besucht wird, möchte einem mit fertig stehendem Gebäck begrüßen. Als
hätte sich die gesamte Kabylei abgesproche. Sovonwegen: Achtung,
Achtung. Heute kommt Özgür vorbei, haltet alle süßes Gebäck bereit.“ Ich
verstehe es nicht. Die können, doch nicht jeden Tag frisches Gebäck,
Kuchen, Leckereien bereit halten. Dieses mal bin ich jedoch schlauer als
letztes Mal. Vor drei Jahren, habe ich bei der ersten Familie gleich
reingehauen. Der Trick ist es jedoch überall nur ein bisschen zu essen.
Dann schafft man auch ein halbe duzend Familien zu besuchen ohne bei den
letzten zu besuchenden Familien ablehen zu müssen, was eine echte
Beleidigung ist. Sovonwegen: Aha, bei den Nachbar hast Du aber was
gegessen und bei uns nicht??? Haben die besseres Essen???“ Ichso: „Nein,
nein, aber…“
Nachdem ich zwar überall nur wenig, am Ende der
Familientour aber trotzdem viel gegessen haben, habe ich beschloßen auf
den nächsten Berg zu steigen. Die Leute in der Familieso: „Waaas? Neee,
das geht nicht.“ Ichso: „Was? Wieso nicht?“ Die Leute in der Familieso:
„Da ist noch niemand raufgestiegen.“ Und diesen Satz kenne ich aus der
Türkei. Denn in Amasya, da wo meine Eltern herkommen, gibt es auch so
einen Berg. Und ich wollte da immer hochsteigen und wurde mit den Worten
aufgehalten, da ist noch nie jemand hochgestiegen. Diesen Sommer habe
ich jedoch von einer Freundin gelernt, dass das kein Grund ist, da nicht
raufzusteigen. Also los geht’s. Die Leute in der Familieso: „Neee, das
ist hier nicht sicher. Da könnten Terroristen sein.“ Ichso: „Aha. Ich
dachte, da ist noch nie jemand hochgestiegen???… So ihr müsst mich schon
hier festketten, wenn ihr mich aufhalten wollt. So ich gehe jetzt und
nehme mein Handy mit, falls was sein sollte, rufe ich an.“ Und weg war
ich. Das grundlose wandern hat etwas befreiendes, von dem ich nichts
wusste. Und ganz grundlos ist es dann doch wieder nicht, weil man in der
Regel mit einem wunderschönen Ausblick belohnt wird. Nachdem ich den
halben Tag auf dem Berg verbracht habe, waren ich und der Berg Freunde
geworden. Ich wusste nur wer er war und er wusste nun wer ich war.
Nachdem
ich nun also den Berg als neuen Freund gewonnen hatte, galt es neue
Freundschaften im Dorf zu schließen. Als ich gerade ankam, waren die
Vorbereitungen für den bevorstehenden Abend schon im vollen Gange. Im
Haus von Derrji haben sich heute nämlich 12 Freunde zu einem Saufgelage
in der Kabylei versammelt. Keiner Jünger als 50 Jahre alt. Sie habe
schon manches im Leben erlebt und ihre Biografien könnten nicht
unterschiedlicher sein. Kabylen und Araber, Ärzte und Anwälte zwischen
Bauern und Bauarbeitern und Künstlern und Musikern. Die Musiker des
Abends haben ihre Instrumente mitgebracht. Eine Darbuka, eine Gitarre
und eine Saz artige Gitarre. Ich wurde Zeuge eines 3 Stündigen privat
Kotnzertes. (Profis und nicht Hobbymusiker) Die wärme und Freude dieser
12 Männer war unbeschreiblich. Sie lachten und scherzten, als wären sie
noch Kinder. Und gewissermaßen waren sie es auch noch geblieben. Für
kurze Augenblicke konnte ich die Kinder hinter den Gesichern mit tiefen
Falten und grauen Harren sehen. Während bei uns die Männer in dem Alter
in den Kegelklub gehen oder Skat spielen, versammeln diese 12 Männer
sich ein mal im Monat und Trinken und Singen und erzählen sich
Geschichten. Bisher habe ich es nicht als schlimm empfunden kaum
Arabisch zu verstehen. Aber in den Gesichtern dieser 12 Männer habe ich
die Gelassenheit gesehen, die ich selber gerne manchmal hätte. Sie haben
in diesen 3 Stunden an nichts anderes Gedacht, als gerade hier zu sein.
Ganz gleich, was sie im Leben noch so plagt, hier waren die Sorgen und
der Kummer ausgesperrt, als hinge draußen vor dem Tor ein Schild mit der
Aufschrift: „Sorgen und Kummer müssen heute leider draußen bleiben“
Eigentlich musste ich nicht viel verstehen, denn was ich gesehen habe,
habe ich verstanden.
Es ist scheißegal wo man sich wann befindet und welche Musik gerade
läuft. Wenn man seine Freunde dabei hat, kann eine Scheune, die geilste
Partylokation sein, die es auf diesem Planeten gibt.
Altherren Musiker in der Kabylei
Derweil sitze ich um 04:08 Uhr hier auf dem Hof, höre die Hunde in der Ferne bellen, spüre den lauwarmen Wind der mal etwas heftiger, mal ganz sanft über den Hof weht und schreibe diesen Blog, der erst Morgen Online gehen wird, weil es hier natürlich kein Internet gibt. Aber wer das Foto sieht, der versteht vielleicht, dass es sehr viel Spaß macht diesen Blog zu schreiben und Erlebnisse festzuhalten. Manchmal ist es eben die Romantik die mich antreibt.
Altherren Musiker in der Kabylei
Derweil sitze ich um 04:08 Uhr hier auf dem Hof, höre die Hunde in der Ferne bellen, spüre den lauwarmen Wind der mal etwas heftiger, mal ganz sanft über den Hof weht und schreibe diesen Blog, der erst Morgen Online gehen wird, weil es hier natürlich kein Internet gibt. Aber wer das Foto sieht, der versteht vielleicht, dass es sehr viel Spaß macht diesen Blog zu schreiben und Erlebnisse festzuhalten. Manchmal ist es eben die Romantik die mich antreibt.
Teil Fünfzehn "Die Kurden Algeriens"
Teil Fünfzehn "Die Kurden Algeriens"
Vollbild
Stolz
sind sie, die Kabylen und sie bestehen darauf, dass sie nicht als
Araber identifiziert werden. Denn dieser Fehler passiert oft den
Europäern, so sagen sie es mir. Häufig heißt es da wohl: „Aus Algerien…
Ah ein Araber.“ Nein, eben genau nicht. Es ist ein eigenes Volk, mit
einer eigenen Kultur, mit einer eigenen Sprache, mit einer eigenen
Schrift und einer eigenen Traditionen.
Viele Künstler in Algerien kommen zufällig aus der Kabylei. Nicht nur
das haben sie mit den Kurden in der Türkei gemeinsam, sondern auch den
Anspruch auf Autonomie. Schließlich haben sie an der Seite der FLN
(Front de Liberation National) gegen die Franzosen gekämpft und nach
1962 von den Mitgliedern der FLN versprochen bekommen, dass sie
Autonomie erhalten würden. Auch das haben sie mit den Kurden gemeinsam.
Auch den Kurden wurde von Atatürk versprochen, dass sie Autonomie
erhalten würden, wenn die Kolonialmächte erst mal besiegt sind.
Aber….Pustekuchen!!!
Es mag an der
Bergregion liegen oder an der Unterdrückung, der sie jahrzehntelang
ausgesetzt waren. So oder so, sie sind sich ihrer Kultur bewusst und
bestehen darauf, dass der Unterschied zwischen Kabylen und Arabern
gemacht wird. Allerdings empfinden sich die Kabylen, die ich getroffen
habe auch durchaus als Algerier. Das wieder unterscheidet sie von den
Kurden in der Türkei, die teilweisen separatistischen Bestrebungen
verfolgen. Von Kabylen habe ich bisher noch nicht gehört, dass man einen
eigenen Staat gründen will. Auch wenn es eine Bewegung für die
Autonomie der Kabylei (MAK) gibt, die vom Volkssänger Ferhat Mehenni
geführt wird und in Frankreich eine Exilregierung gegründet hat, haben
ich niemanden getroffen, der diese Bestrebungen unterstützen würde. Ich
wüsste auch nicht, was das bringen soll. Ich stelle mir vor, dass
irgendein Algerischer Präsident verrückt genug wäre, um den Kabylen
Autonomie zu gewähren. Dann wäre die Kabylei eine autonomer Inselstaat
innerhalb der Staatsgrenzen Algeriens. Wenn Algerien die Grenzen dann
schließen würde… Es gibt in dem Fall ja keinen anderen Nachbarstaat…
Naja, egal.. wird ohnehin nicht passieren. Aber man kann ja einfach mal
eine Exil-Regierung gründen. Tut ja niemanden weh. Wenn ich zurück bin,
werde ich auch Autonomie beantragen. Freie Republik „Kurze Straße“ mit
der Exil-Regierung in…. Keine Ahnung. Das muss ich mir noch überlegen.
(Vorschläge werden gerne entgegengenommen)
Auf jeden Fall war
der letzte richtig große Aufstand in der Kabylei im April 2001. Der Tot
des 18 jährigen Massinissa Guermah war der Grund für Unruhen, die 128
weitern Jugendlichen das Leben kosteten. Massinissa, war auf einer
Polizeistation von einem Polizisten erschossen worden.
Es
gibt außer den Auseinandersetzungen, aber auch Gemeinsamkeiten mit den
Arabern. wie zum Beispiel die Religion. Allerdings gehen die Kabylen mit
ihren Frauen hier etwas anders um, als die Araber. Die kabylischen
Frauen, die ich persönlich als sehr hübsch empfinde sind sehr
selbstbewusst und lassen sich nicht von ihren Männern unterdrücken. Das
scheint den Kabylen in den Genen zu liegen.
Als die Franzosen
1830 an der Küste von Sidi Feruj in der unmittelbaren Nähe von Algier
landeten, kam in der Kabylei eine Freiheitskämpferin zur Welt, die an
zahllosen Schlachten und Kämpfen gegen die verhassten Franzosen
beteiligt war. Fatma Summer war gemeinsam mit Bou Baghla, einer der
Kämpfer von Anführer der Araber im Maghreb Abelkader. Es ist wohl die
einzige Frau aus der Zeit, die es bis in Facebook-Zeitalter geschafft
hat. Aber auch die Frauen heute sind sehr selbstbewusst. Ob jung oder
alt. Das ist den Arabern in Algerien irgendwie suspekt.
Die Geschichte der
Kabylen geht weit zurück bis zu den Phönizier. Seither leben die Kabylen
in dieser Region und an der Küste. Also lange bevor die Araber im 10.
Jahrhundert den Maghreb eroberten und Islamisierten, lebten die Berber
und darunter waren eben auch die Kabylen bereits seit Jahrhunderten hier
und wussten nicht mal, dass es überhaupt Araber gibt. Jetzt versuchen
die Araber die Kabylen davon zu überzeugen, dass sie Araber sein. So
soll erste Algerische Präsident Ben Bella wiederholt gesagt haben: „Wir
sind Araber, wir sind Araber, wir sind Araber.“ Wahrscheinlich dachte er
sich, dass wenn er das oft genug wiederholt, es vielleicht wahr werden
könnte. Im Prinzip haben die Araber mit den Kabylen oder den Berbern im
Allgemeinen dasselbe gemacht, was die Franzosen versucht haben. Nämlich
einfach ihr Land besetzt und gesagt: „Das gehört jetzt uns“ Die
Franzosen waren allerdings nicht lange genug im Land, damit es auch
jeder glauben konnte.
Überhaupt ist
Frankreich, die Kolonialzeit und die Unabhängigkeit permanent Thema
hier. Teilweise kann man das auch verstehen, den die Unabhängigkeit von
Frankreich ist ja erst 50 Jahre her und war eine traumatisches Erlebnis.
So ähnlich wie vielleicht für die Deutschen die Wiedervereinigung.
Irgendwie redet man von Wiedervereinigung und während man noch darüber
redet separiert man eigentlich. Eine echte „Wiedervereinigung“ wird erst
dann abgeschlossen sein, wenn keiner mehr von „Wiedervereinigung“
redet. So ist’s auch mit der Integration.
Aber es sind nicht
nur die Deutschen, die nichts von Integration verstehen. Weder die
Türken haben es geschafft die Kurden zu integrieren, noch die Algerier
die Kabylen. Aber es gibt viele solcher Beispiele, wo die
Bevölkerungsmehrheit die Minderheit nicht integriert. Dort heißt dieser
Prozess nur eben nicht Integration, meint aber irgendwie dasselbe. Am
einfachsten ist es sich weder von den Einen noch von den Anderen
vereinnahmen zu lassen. So ist zum Beispiel Zinedine Zidane zwar ein
Kabyle, aber er fühlt sich offenbar weder als Algerier noch als Kabyle
sondern eben als Franzose. Für mich würde das bedeuten, dass ich weder
Türke, noch Deutscher, sondern Schwede bin.
Teil Sechzehn "Nichts ist wichtiger als Essen"
Teil Sechzehn "Nichts ist wichtiger als Essen"
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Noch bevor in Tunesien die Arabelion ihren Anfang nahm, gab es im
Januar 2011 Aufstände in Algerien, weil die Preise für die
Grundnahrungsmittel in die Höhe stiegen und das muss für die Algerier
wirklich besonders schlimm gewesen sein.
Ausschreitungen in Algerien
Dies wurde mir erst klar, seitdem ich hier bin. Denn seitdem ich hier bin, wurde mir keine Frage häufiger gestellt als: „Hast Du Hunger?“ Essen, essen und wieder essen. Ich kann nicht mehr. Dabei habe ich, bevor ich hier hergekommen war spektakuläre 13 Kilo abgenommen. Und nun scheint es mir, als würde ich Jeden Tag 2 Kilo zunehmen, weil ich ständig gezwungen werde zu Essen. Nein, es ist wirklich so. Ich werde gezwungen. Es ist furchtbar, weil keiner zu verstehen scheint, dass es keine Beleidigung ist, nichts essen zu wollen. Jetzt „muss“ ich, morgens kräftig frühstücken, mittags satt Essen und abends natürlich königliches Menü in mich stopfen. Und natürlich zwischendurch zum Kaffee sündhaft süßes Gebäck. Dagegen ist unser Türkisches Baklava etwas für Diabetiker. Inzwischen bin ich soweit, dass ich begonnen habe mich zu wehren. Ichso, total entschlossen: „NEIN“. Dieso: „Oh, nur ein mal probieren“. Ichso: „Nein, echt nicht“ Dieso, schon etwas beleidigt: „Wieso, probiere doch mal nur ein kleines Stück. Das schmeckt echt super.“ Ichso: „Das glaube ich auch sofort und es sieht aus super lecker aus, aber ich habe schon voll viel zugenommen und mache Diät.“ Dieso: „Diä… was? Wenn Du es nicht probiert hast, dann kannst Du doch nicht wissen, wie es schmeckt. Außerdem… wenn Du zugenommen hast, ist das doch super!!! Ichso: „Nein. Das ist kein Kompliment. Ich will abnehmen, weniger wiegen undso.“ Dieso: „Wieso?“ Ichso: „Ey, meine Hosen passen mir bald nicht mehr.“ Dieso: „Dann kaufst Du Dir neue.“ Ichso: „Nein ey…. Ich will mir keine neue Hose kaufen und ich will nicht mehr soviel fressen.“ Und kaum habe ich das gesagt, habe ich auch schon eine weiter Kelle Suppe auf meinem Teller. Ichso: „Nein, wirklich. Ich werde nicht mehr weiter essen, nur weil ihr ständig meinen Teller auffüllt. Sorry. Tut mir Leid.“ Dieso, total beleidigten Gesicht: „Okey, muss Du wissen. Aber nicht das man dann in Deutschland sagt, Du hättest hier nichts zu essen bekommen.“ Ichso: „Nein, versprochen, (Auch wenn jetzt Millionen über mein Blog mitbekommen, dass ich mit Essen gequält werde…) dass wird dort keiner in Deutschland sagen. Versprochen.“ Als wenn es dann zu bilateralen Konflikten kommen würde. Sovonwegen: Ichso zu Merkel: „Ey die haben mir nichts zu essen gegeben.“ Und Merkelso: „Was für eine Frechheit. Dann verhängen wir jetzt Sanktionen.“ Aber eins muss man sagen. Das Essen ist frisch und lecker. Wenn es mit einer Sache hier mal so gar kein Problem gibt, dann ist das „Bio“. Alles ist hier Bio. Auch wenn keiner auch nur ein blassen Schimmer davon hat, was Bio eigentlich sein los. Und jetzt erkläre mal einem Algerier mit gebrochen Französisch, was eigentlich Bio ist. Ichso, etwas irritiert und selber nicht genau wissend, was jetzt eigentlich Bio sein soll: „Na Bio ist halt so…. ohne Zusätze und eben natürlich. So Biologisch eben.“ Dieso: „Ja, wozu auch Zusätze“ Ichso: „Na wegen Insekten unsoweida.“ Dieso: „Ja ja hier ist alles Bio“ und das glaube ich auch sofort. Aber dafür ist’s nicht hygienisch. Aber man kann eben nicht alles haben. Auf einem Markt in Bijaja in der kleinen Kabylei, gab es zum Beispiel frisches glückliches Huhn auf dem Markt. Naja ob es wirklich so glücklich war, kann ich nach dem was ich gesehen habe nicht mehr sagen, aber wahrscheinlich war es irgendwann einmal glücklich. Zumindest bis zu diesem Tag. Hand geschnittenes Hühner Massaker und von Maschinen gerupft. Das sah auf den ersten Blick derbe brutal aus, doch wahrscheinlich geht es jedem Mc Donald Chicken Mc Nugget tausend Mal schlimmer. Trotzdem kein Ort für Tierliebhaber, die hier wahrscheinlich gleich mit den Tieren mitgeschlachtet werden. Auf jeden Fall kann man hier der Ziege, dem Schaf oder dem Huhn noch einmal tief in die Augen schauen, bevor man es zum Verzehr mit nach Hause nimmt. Aber eins steht mit definitiver Sicherheit fest. Das Obst hier ist die Macht. Die können gar nicht verstehen, warum ich hier Kistenweise Tomaten so weg haue. Tomaten… Echte Tomaten… Wahnsinn… Ich komme mir vor, als würde ich auf der ISS Leben und nur Astronauten Futter bzw. Astronauten Tomaten essen und dann und wann eine Tomate in die Hand bekommen. Aber so ist’s. Die Tomaten hier schmecken nach Tomaten. Okey sie sehen manchmal nicht wie Tomaten aus. Aber ey…Scheißegal…die schmecken sowasvon nach Tomaten, wie keine Tomate in Deutschland die ich je angefasst habe. Wenn es diese EU-Schutzzölle zum „Schutz“ der „Binnen“ Landwirtschaft in Europa nicht gäbe, dann würden man mit Algerischen „Echten“ Tomaten den Europäischen Markt überschwemmen können. Was aber noch schlimmer ist, als die Tatsache, dass keiner Tomaten aus dem Maghreb importieren bzw. nach Europa exportieren darf, ist, dass die Europäer Ihre beschissenen Scheiß Tomaten, die nicht mal nach Tomaten schmecken auch noch nach Afrika verschiffen. Als wenn es nicht reichen würden, das wir diese Scheiße essen müssen, dürfen die Afrikaner jetzt auch noch unsere Tomaten fressen, die nicht nach Tomaten schmecken, aber trotz der Transportkosten -von dem CO²-Gepäck mal abgesehen- billiger sind als die Tomaten vor Ort, die aber tausend mal besser schmecken würden. Es lebe die afrikanische Tomate. Naja… jetzt esse ich zwar Bio aber dafür nehme ich zu. Am Ende werde ich aber sagen können. Okey ich bin dicker geworden aber Bio-Digga!!!
Ausschreitungen in Algerien
Dies wurde mir erst klar, seitdem ich hier bin. Denn seitdem ich hier bin, wurde mir keine Frage häufiger gestellt als: „Hast Du Hunger?“ Essen, essen und wieder essen. Ich kann nicht mehr. Dabei habe ich, bevor ich hier hergekommen war spektakuläre 13 Kilo abgenommen. Und nun scheint es mir, als würde ich Jeden Tag 2 Kilo zunehmen, weil ich ständig gezwungen werde zu Essen. Nein, es ist wirklich so. Ich werde gezwungen. Es ist furchtbar, weil keiner zu verstehen scheint, dass es keine Beleidigung ist, nichts essen zu wollen. Jetzt „muss“ ich, morgens kräftig frühstücken, mittags satt Essen und abends natürlich königliches Menü in mich stopfen. Und natürlich zwischendurch zum Kaffee sündhaft süßes Gebäck. Dagegen ist unser Türkisches Baklava etwas für Diabetiker. Inzwischen bin ich soweit, dass ich begonnen habe mich zu wehren. Ichso, total entschlossen: „NEIN“. Dieso: „Oh, nur ein mal probieren“. Ichso: „Nein, echt nicht“ Dieso, schon etwas beleidigt: „Wieso, probiere doch mal nur ein kleines Stück. Das schmeckt echt super.“ Ichso: „Das glaube ich auch sofort und es sieht aus super lecker aus, aber ich habe schon voll viel zugenommen und mache Diät.“ Dieso: „Diä… was? Wenn Du es nicht probiert hast, dann kannst Du doch nicht wissen, wie es schmeckt. Außerdem… wenn Du zugenommen hast, ist das doch super!!! Ichso: „Nein. Das ist kein Kompliment. Ich will abnehmen, weniger wiegen undso.“ Dieso: „Wieso?“ Ichso: „Ey, meine Hosen passen mir bald nicht mehr.“ Dieso: „Dann kaufst Du Dir neue.“ Ichso: „Nein ey…. Ich will mir keine neue Hose kaufen und ich will nicht mehr soviel fressen.“ Und kaum habe ich das gesagt, habe ich auch schon eine weiter Kelle Suppe auf meinem Teller. Ichso: „Nein, wirklich. Ich werde nicht mehr weiter essen, nur weil ihr ständig meinen Teller auffüllt. Sorry. Tut mir Leid.“ Dieso, total beleidigten Gesicht: „Okey, muss Du wissen. Aber nicht das man dann in Deutschland sagt, Du hättest hier nichts zu essen bekommen.“ Ichso: „Nein, versprochen, (Auch wenn jetzt Millionen über mein Blog mitbekommen, dass ich mit Essen gequält werde…) dass wird dort keiner in Deutschland sagen. Versprochen.“ Als wenn es dann zu bilateralen Konflikten kommen würde. Sovonwegen: Ichso zu Merkel: „Ey die haben mir nichts zu essen gegeben.“ Und Merkelso: „Was für eine Frechheit. Dann verhängen wir jetzt Sanktionen.“ Aber eins muss man sagen. Das Essen ist frisch und lecker. Wenn es mit einer Sache hier mal so gar kein Problem gibt, dann ist das „Bio“. Alles ist hier Bio. Auch wenn keiner auch nur ein blassen Schimmer davon hat, was Bio eigentlich sein los. Und jetzt erkläre mal einem Algerier mit gebrochen Französisch, was eigentlich Bio ist. Ichso, etwas irritiert und selber nicht genau wissend, was jetzt eigentlich Bio sein soll: „Na Bio ist halt so…. ohne Zusätze und eben natürlich. So Biologisch eben.“ Dieso: „Ja, wozu auch Zusätze“ Ichso: „Na wegen Insekten unsoweida.“ Dieso: „Ja ja hier ist alles Bio“ und das glaube ich auch sofort. Aber dafür ist’s nicht hygienisch. Aber man kann eben nicht alles haben. Auf einem Markt in Bijaja in der kleinen Kabylei, gab es zum Beispiel frisches glückliches Huhn auf dem Markt. Naja ob es wirklich so glücklich war, kann ich nach dem was ich gesehen habe nicht mehr sagen, aber wahrscheinlich war es irgendwann einmal glücklich. Zumindest bis zu diesem Tag. Hand geschnittenes Hühner Massaker und von Maschinen gerupft. Das sah auf den ersten Blick derbe brutal aus, doch wahrscheinlich geht es jedem Mc Donald Chicken Mc Nugget tausend Mal schlimmer. Trotzdem kein Ort für Tierliebhaber, die hier wahrscheinlich gleich mit den Tieren mitgeschlachtet werden. Auf jeden Fall kann man hier der Ziege, dem Schaf oder dem Huhn noch einmal tief in die Augen schauen, bevor man es zum Verzehr mit nach Hause nimmt. Aber eins steht mit definitiver Sicherheit fest. Das Obst hier ist die Macht. Die können gar nicht verstehen, warum ich hier Kistenweise Tomaten so weg haue. Tomaten… Echte Tomaten… Wahnsinn… Ich komme mir vor, als würde ich auf der ISS Leben und nur Astronauten Futter bzw. Astronauten Tomaten essen und dann und wann eine Tomate in die Hand bekommen. Aber so ist’s. Die Tomaten hier schmecken nach Tomaten. Okey sie sehen manchmal nicht wie Tomaten aus. Aber ey…Scheißegal…die schmecken sowasvon nach Tomaten, wie keine Tomate in Deutschland die ich je angefasst habe. Wenn es diese EU-Schutzzölle zum „Schutz“ der „Binnen“ Landwirtschaft in Europa nicht gäbe, dann würden man mit Algerischen „Echten“ Tomaten den Europäischen Markt überschwemmen können. Was aber noch schlimmer ist, als die Tatsache, dass keiner Tomaten aus dem Maghreb importieren bzw. nach Europa exportieren darf, ist, dass die Europäer Ihre beschissenen Scheiß Tomaten, die nicht mal nach Tomaten schmecken auch noch nach Afrika verschiffen. Als wenn es nicht reichen würden, das wir diese Scheiße essen müssen, dürfen die Afrikaner jetzt auch noch unsere Tomaten fressen, die nicht nach Tomaten schmecken, aber trotz der Transportkosten -von dem CO²-Gepäck mal abgesehen- billiger sind als die Tomaten vor Ort, die aber tausend mal besser schmecken würden. Es lebe die afrikanische Tomate. Naja… jetzt esse ich zwar Bio aber dafür nehme ich zu. Am Ende werde ich aber sagen können. Okey ich bin dicker geworden aber Bio-Digga!!!
Teil Achtzehn„Der Terror“
Fünf
Stunden hat die Rückfahrt aus der kleinen Kabylei nach Algiers
gedauert. Nicht das die Strecke so lang wäre oder die Straßen so
verschlungen oder schlecht wären. Es sind diese permanenten
Straßenkontrollen, die immer wieder wie ein Flaschenhals oder
embouteillage (so heißt der Stau auf Französisch treffend) auf
den Verkehr wirkt und zu kilometerlangen Staus führt und wenn man dann
stundenlang darauf wartet, dass es verdammt noch mal weitergeht, dann
kann man verstehen, dass einige dabei zu Terroristen werden. Und davon
gibt es hier sehr viele. So viele, dass sie sogar exportiert werden. Ein
großer Exporterfolg waren ein algerisches Fernseh-Selbstmord-Team, dass
am 10. September 2001 den Führer der Nordallianz in Afghanistan Ahmed
Schah Massud getötet hat, weil klar war, dass sich die Amerikaner nach
dem 11. September 2001 mit dem geschickten und klugen Heerführer, den in
Afghanistan alle ehrfurchtsvoll „den Löwen des Panschirtals“ nannten,
verbünden würden. Aber auch für den Binnenmarkt in Algerien gibt es
reichlich viele Terroristen. Sie werden zur Blüte in die Wüste geschickt
und kommen dann voll ausgereift wieder und verüben ihre Anschläge in
den Städte. Offenbar vorzugsweise in Mülleimern und Autos. Dieser Terror
verbreitet pure Angst und Schrecken.
Das
war nicht immer so. Denn Terror war, wie wenige wissen, etwas
positives. Während der Französischen Revolution bedeutete es
„Aktionismus“. Heute wird es aber überwiegend negativ konnotiert. Die
Definition dessen, wer ein Terroristen ist und wer nicht, ist dabei
abhängig von der Perspektive. Denn manch ein Terrorist könnte auch ein
Freiheitskämpfer sein. Da sind die Übergänge fließend, wie zum Beispiel
gerade in Syrien. Das Assad gerade alle Terroristen nennt, die ihn
bekämpfen, ist ja klar und für uns sind diese verrückt gewordenen
Menschen im eingeschlossenen Homs, das wir vor einigen Wochen nicht mal
kannten, alle Freiheitskämpfer, weil sie gegen jemanden kämpfen, den wir
irgendwie nicht mögen. Dabei wissen nahezu nichts über Assad und die
politischen oder gesellschaftlichen Zustände in Syrien. Müssen wir aber
auch nicht. Es reicht, wenn wir Assad einfach nicht mögen und weil wir
in der Regel für den Underdog sind, wie wir lieber für St.Pauli sind als
für Bayern München. So funktioniert das eben. Aber wenn sich diese
verrückt gewordenen Opfer alda sich eines Tages gegen uns wenden, dann
werden die, die wir heute noch moralisch unterstützen und bei denen wir
uns überlegen, ob wir sie mit Waffen ausstatten sollten, wie einst die
Mudjahidin (Übersetzt = Partizip aktiv von JaHaDa: bemühen= die, die
sich bemühen = Mudjahidin) in Afghanistan, zu unseren Feinden. Das geht
so schnell, so schnell kann man „Homs“ nicht mal aussprechen! Alle die
mit Gewalt gegen die Staatsgewalt kämpfen sind Terroristen. Asymetrische
Kriegsführung wird das heute genannt. Das galt für die RAF, IRA, ETA,
PKK, Hamas, Hisbullah, Tamilischen Tiger, die AQMI, also die Al-Quaida
im Maghreb oder sonst irgendwelche Wahnsinnigen.
In
Algerien wiederum ist etwas Eigenartiges passiert. Die FiS –Front
islamique de Salut- war eigentlich keine Terrorgruppe, sondern eine
Partei, die droht 1991 die Wahlen zu gewinnen. Diese Drohung nahm das
Militär natürlich sehr ernst und brach die Wahlen ab. Wer in Algerien
damit droht unerwartet die Wahlen zu gewinnen, der wird verjagt und
bekämpft. Vom Kämpfen verstehen diese Muslimisten jedoch nichts, Sie
beten lieber. Das hat bislang jedoch nicht so richtig funktioniert.
Entweder machen sie es falsch oder sie erreichen immer nur den Falschen.
Vielleicht ist aber auch immer besetzt. Sovonwegen: „Bin gerade in
Palästina beschäftigt. Bitte hinterlassen sie eine Nachricht.“ Doch was
die Muslimisten gut können, ist, sich hinter Bäumen am Straßenrand zu
verstecken und Leute zu verschrecken in dem sie auf vorbeifahrende Autos
schießen oder Bomben in die Mülltonne werfen. (Wenn die Algerier mal
ihren Müll in die Mülltonnen schmeißen würden, statt Bomben…, das wäre
vielleicht mal eine Idee…) auf alle Fälle wurden die Muslimisten unter
den Augen der Weltöffentlichkeit nicht nur verjagt, sondern gleich auch
noch verfolgt. Niemand sagte damals irgendetwas. Im Gegenteil, die
Französische Administration unterstützt den Coup des Militärs in
Algerien auch noch. Vor dem Hintergrund der Arabellion ein unfassbarer
Vorgang, der heute so nicht hätte stattfinden können. Man stelle sich
vor Sarkosy hätte Gaddafi unterstützt und dazu geraten die Rebellen zu
massakrieren. Möglicherweise auch noch militärische Hilfe dafür
zugesichert. Ein unerhörter Vorgang. Im wahrsten Sinne…
Daraufhin
blieb der FiS nicht anderes über als in den Untergrund zu gehen. Was
eben noch überschaubar war, spaltet sich nun auf. Die einen wollten den
bewaffneten Kampf und sahen nach den abgebrochenen Wahlen, keine
alternative mehr und die anderen wollen das nicht. Einige in der FiS
befürworten den Kampf, der ihrer Meinung nach allerdings lediglich gegen
das Militär und die Staatsgewalt geführt werden dürfe. Andere weiten
den Kampf gegen die Bevölkerung aus. Für einige ein Unding. „Wie kann
man muslimische Glaubensbrüder töten“, fragten sie sich. Wieder andere
führen den Kampf nur weil sie kämpfen wollen. Frei nach dem Prinzip:
„Der kürzeste Weg ins Paradies führt über den Gihad. (Aber eben auch
nach dem Prinzip: „Mir scheißegal gegen wen ich kämpfe. Her mit den
Jungfrauen“) Einige Massaker wiederum werden vom Militär verübt, um sich
damit die Legitimität zu geben, mit äußerster härte gegen die
„Terroristen“ vorgehen zu können. Abertausende Sterben in diesem
Bürgerkrieg. Gegen „Hartes“ Vorgehen, das haben die Algerier bereits im
Unabhänigkeitskrieg gegen die Franzosen gelernt, hilft nur noch
„härteres“ Vorgehen“ Sozusagen „Härter sein als Hart. Also super Hart.“
Die
Frage, die sich stellt ist, darf man härter sein als der Staat? Ab wann
also ist der Tyrannenmord legitim? Wann darf man sich erheben und wie?
Wenn der Tyrann oder Leviatan all seine Macht auffährt um die
Terroristen zu besiegen… dürfen die Terroristen sich wehren und wenn ja
wie? Also wenn Polizisten auf die RAF schießt, darf dann, nach Meinhoff,
zurückgeschossen werden? Wenn Israelis mit Millionenteuren
Kampfhubschraubern aus sicherer Entfernung Häuserblöcke in Jenin oder
Gaza wegballert, dürfen dann die palästinensisch Extremisten, die in
Gagstermaniere ihre Bevölkerung und die der Gegenseite terrorisieren mit
selbstgebauten Raketen zurückschießen und Kinder töten. Dürfen in
Warschau eingepferchte Juden gegen die Nazi Herrschaft kämpfen?
Generationen von Philosophen haben sich mit der Frage nach dem
„gerechten Krieg“ dem „bellum iustum“ beschäftigt. Nun müsste die
Fragestellung erweitert werden. Ab wann gibt es oder kann es einen
„gerechten Terrorismus“ geben?
Ich
bin ja der Meinung; ja, es gibt einen gerechten Terrorismus. Und zwar
genau dann wenn Straßensperren mir fünf Stunden meines Lebens rauben.
Dann bin ich berechtigt, der Straßensperren die Existenz zu rauben und
in die Luft zu sprengen. Also sozusagen Terror gegen die Straßensperren.
Teil Einundzwanzig „Hass und Wut“
Teil Einundzwanzig „Hass und Wut“
Vollbild
Es
geht schon wieder los. Essen, essen und noch mal essen. Ich habe es
lange nicht kapiert, warum hier permanent und so viel gegessen wird.
Jetzt habe ich eine Theorie. Es gibt hier sonst nichts, woran man sich
sonst erfreuen könnte. Keine oder kaum Theater (was bei mir natürlich
ganz oben steht) Kino, Bar’s oder Cafés oder Parks oder sonst irgendwie,
irgendetwas von dem man sagen könnte, das ist irgendwie
Freizeitgestaltung. Also wird gegessen und zwar nicht etwa so ein
bisschen, von wegen so: „Ey lass uns etwas essen, damit wir satt
werden“, sondern: „Ey lass uns etwas essen, als würden wir die nächsten
Jahre nichts mehr zu essen zu bekommen.“ Unfassbar viel Essen. Ich
könnte jetzt nicht genau sagen, was das alles war und wie das alles
heißt was ich gegessen habe, aber es war super lecker. Hier war ein
Spezialist am Werk. Die hohe Kunst des Kochens. Apropos… wo sind sie
eigentlich die Spezialisten. Ich habe hier noch keine zu sehen bekommen.
Ständig steht der Mann des Hauses auf und holt noch etwas rein und
bringt das dreckige Geschirr raus. Wo sind die Frauen?????
Und
zack die Blutgrätscheso: „Ey, wo sind eigentlich Eure Frauen.“ Dieso:
„Die essen getrennt.“ Ichso irritiert, obwohl ich weiß wo sie sind und
warum sie da sind, wo sie sind: „Wo sind sie denn und warum essen sie
nicht mit uns?“ Dieso: „Nein, die Frauen essen unter sich und die Männer
essen unter sich.“ Ichso empört und schockiert: „Was soll das denn.“
Dieso halten mich, den Ausländern, für etwas beschränkt: „Ah das
schreibt der Quran so vor. Das ist die Scharia.“ Ichso, lass nun wissen,
dass ich nicht ganz so doof bin, wie man vielleicht denken könnte: „So
ein Bullshit!!! Geh und erzähle das wem Du willst.“ Erso versucht sich
zu verteidigen. Ich lasse ihm aber nun keine Chance mehr. Nee mein
lieber die Chance hattest Du eben und jetzt hörst Du mir mal genau zu:
„Kannst Du Arabisch???“ Erso: „Ja.“ Ichso: „Gut, dann lese noch mal
gründlich den Quran, bevor Du hier so ein Unsinn verbreitest und weiter
Deine Frau unterdrückst.“ Der Tisch mit mehreren Männern wird nun
unruhig. Sovonwegen: wie??? Was??? Wir unterdrücken doch unsere Frauen
nicht. Ich denke mir so: Neeee ganz sicher nicht. Na dann
wollen wir mal. Da bist Du nun an den falschen geraten. Was dieses Thema
angeht, bin ich gut gerüstet um es mit ihnen allen hier am Tisch
aufzunehmen. Ich lasse die nun merken, dass ich Islamwissenschaften
studiert haben und die mir nicht einfach irgendeinen Scheiß erzählen
können. Im Gegenteil: Nach einem theologischen Diskurs über den
Propheten und verschiedene Quranverse über die Rolle der Frau und den
Sinn des Kopftuches und die Art ein Kopftuch zu binden, kommt der mit
der Sprache raus: „Ja ich bin halt sehr eifersüchtig“ Ichso, immer
wütender: „Aha, also weil Du eifersüchtig bist, muss Deine Frau nicht
nur ein Kopftuch, sondern auch noch ein Gesichtsschleier tragen???“ Sag
mal geht’s noch??? Haben die den Knall nicht gehört? Erso, wird nun
völlig abstrus: „Ja, aber ein Schwein ist für uns Haram (Verboten),
warum?“ Ichso, na das will ich mir jetzt mal von ihm erklären lassen,
warum er glaubt, dass es Haram ist: „Warum?“ Erso, total überzeugt, dass
er nun etwas kluges sagen wird, dass mich total überzeugt: „Na weil es
nicht eifersüchtig wird, wenn ein anderes Schwein es besteigt.“ Ichso:
„Ah ja, ich verstehe. Du vergleichst Dich also mit Schweinen. Und weil
Du kein Schwein sein willst, bist Du eifersüchtig???“ Erso, so etwas aus
der Reserve gebracht: „Nein, weil wir eben Menschen und keine Schweine
sind.“ Ichso, habe eigentlich schon die Nase voll von diesem Schwein:
„So so… und was hat das alles mit Deiner Frau zu tun?“ Erso, denkt das
er es mir nun irgendwie erklären kann: „Bist Du nicht auf Deine Frau
eifersüchtig?“ Ichso:
„Nein. Und ich sage Dir jetzt auch noch warum nicht. Weil ich mir
sicher bin, dass sie mich liebt. Und ich sage Dir jetzt auch noch
schnell warum Du eifersüchtig bist. Weil Du Dir eben nicht sicher bist,
ob sie Dich liebt. Vielleicht liebt sie Dich nur weil Du sie
unterdrückst und würde aber gerne mal mit einem anderem Mann.“ So, jetzt
wird’s etwas brenzlich. Die Gastfreundschaft von den Gastgebern droht
zu kippen. Meine Begleitung springt ein und der Rest des Gesprächs
verläuft auf Arabisch. Und ehrlich gesagt, wollte ich mit diesen
Schweinen auch nicht mehr diskutieren. Der Tisch fängt an untereinander
zu diskutieren, bis einer sich genötigt fühlt mir den Sachverhalt zu
erklären. Einerso: „Schau, die Frauen fühlen sich wohl hier. Die wollen
gar nicht hier bei uns sein“ Und ich denke mir. Klar bei Euch Schweinen.
Wer will das schon sein. Da wäre ich auch lieber woanderes. Der eineso:
„Die sind zufrieden mit ihrem Leben. Sie passen auf die Kinder auf,
müssen nicht arbeiten und können den ganzen Tag zu Hause bleiben und sie
tragen den Schleier freiwillig“ Ich nun etwas entspannter, weil ich
auch nicht den Kulturimperialisten spielen will: „Ja… ey verstehe ich ja
auch näää, aber wir in der Türkei machen das anders. Sind wir deswegen
schlechter Muslime? Was soll das, die Frau von oben bis unten zu
verschleiern nur weil er eifersüchtig sein könnte und so lange ich nicht
von der Frau selber höre, dass sie mit ihrem Leben zufrieden ist,
glaube ich euch kein Wort.“
Und
wieder merke ich, wie ich innerlich vor Wut koche. Nein eigentlich ist
es Hass. Ich hasse diese Leute. Und auf die Frauen bin ich wütend, weil
ich weiß, dass er irgendwie auch recht hat und dass hier viele Frauen
rumrennen, die das tatsächlich alles freiwillig machen. Die tragen
freiwillig den Schleier, wollen gar nicht zur Schule. Für
sie ist es das einfachste zu heiraten, Kinder zu bekommen, sie groß zu
ziehen, einmal zur Haddj nach Mekka zu fahren und damit haben sie den
Sinn ihres Leben erfüllt und sind glücklich. Und genau das nervt mich
unglaublich. Ich will nicht, dass er recht hat. Ich will das er sich
irrt. Wenn es nach mir geht, gehören diese Männer ins Gefängnis und die
Frauen gehören für diese Haltung ausgepeitscht. (Warum gibt es
eigentlich immer nur politische Revolutionen. Warum gibt es keine
Geschlechter Revolution. Nachdem Prinzip: Ihr unterdrücken Frauen in der
Welt, vereinigt Euch und steht auf) Weil wenn eine unter ihnen ist, die
mehr aus ihrem Leben machen will als dieses null-acht-fufzen Leben,
dann hat sie eben kaum eine Chance dazu und das macht mich
wüüüüüüüütendet. Ich hasse diese Menschen hier für ihre Lebenart. Oder
nein Ich hasse sie dafür, was sie mit meinem Islam machen.
Aber auch wenn ich vor Wut koche, kochen können die hier.
Teil Dreiundzwanzig „Keine gute Idee“
Teil Dreiundzwanzig „Keine gute Idee“
Vollbild
:
Ich
kann einfach nicht meine Klappe halten. Darin war ich noch nie wirklich
gut. Besonders dann nicht, wenn ich das Gefühl habe, dass hier gerade
Unrecht geschieht. Was will man machen, wenn die Frau des Hauses
geschlagen wird. Okey es war nicht heftig, aber mir ging es ums Prinzip.
Also habe ich mich mit dem Hausherren angelegt und der hat mich
rausgeschmissen. Ichso, nach der Ohrfeige ins Gesicht: „Hey Uha ohhhh
hey hey hey, was’n hier los?“ Erso, sehr rüde: „ehhh das geht Dich
nichts an“ und wird auch mir gegenüber hangreiflich und versucht mich
ins Wohnzimmer zurückzudrängen. Ich aberso, inzwischen voll so fett
geworden. Gar nicht so einfach ein Kolos von 115 kg einfach so weg zu
schieben. Ich alsoso: „Hey versuch doch mal mich zu schlagen, wenn Du so
mutig bist.“ Was soll ich sagen, da war er wohl der Meinung, dass es da
nicht viel Mut bedarf und schlägt los.“ Wie gesagt… alles keine gute
Idee.“ Ichso, kein Kind von Traurigkeit, weiß mich zu wehren. Doch am
Ende des Tages, auch wenn es nur wenige Minuten gedauert hat, schnappe
ich mir meine Tasche, meine Jacke und mein Fotoapparat und raus auf die
Straße. Der Typ schreit und ruft mir noch so auf Arabisch tausend Flüche
hinterher. Gut das ich keinen Wort verstehe. Einige Nachbarn näher sich
und erzählen mir, dass der Typ ohnehin verrückt sei und nicht mehr alle
Tassen im Schrank hätte, sie auch ständig Probleme mit ihm hätten. Was
soll’s…
Jetzt
sitze ich hier in Busa’ada auf der am Ufer des Wadi (Ein kleiner Bach,
der durch die Oase fließt) und plane meine Weiterfahrt nach Gardaya)
Wahrscheinlich habe ich der Frau damit nicht unbedingt geholfen. Aber
ich sitze hier lieber am Wadi, als in einem Haus zu wohnen in dem Frauen
geschlagen werden. Unfassbar. Einige Tage vorher erzählt er mir noch,
dass seine Frau es gut hat und sie alles freiwillig mach und so weiter.
Jetzt weiß ich, was dieser Bastard mit „gut hat“ meint. Leider gibt es
hier nicht die Möglichkeit, dass zu Anzeige zu bringen, sonst hätte ich
das gemacht. Außerdem bin ich hier ein Fremder und sollte mich
vielleicht nicht allzu sehr in die Angelegenheiten anderer einmischen.
Aber wenn eine Frau geschlagen wird…. Was will man da machen. Zusehen???
Vielleicht wäre es klüger gewesen… Aber manchmal bin ich eben nicht
klug und will es dann eben auch irgendwie nicht sein. Außerdem gibt es
in so kleinen Orten andere Mittel, die auch nicht zu verachten sind, um
den Bastard in Verruf zu bringen. Ich erzähle hier jetzt jedem dem ich
begegne, dass er einen GAST rausgeschmissen hat und seine Frau schlägt.
Egal wie anachronistische sie hier Leben. Das kommt selbst hier nicht
gut an.
Jetzt
geht es auf nach Gardaya und man hat mir schon in Algier versucht zu
erklären, dass es vielleicht keine gute Idee ist, mit meinem Equipment
da runter zu reisen. Es gibt Banditen, Polizisten und Terroristen, die
es sicher witzig fänden, wenn sie mir mein Zeug abnehmen könnten. Keine
Ahnung was Terroristen, die jedes Fotos für eine Sünde halten mit meinem
Fotoapparat machen wollen. Aber okey… irgendwie war ich mir schon in
Hamburg über die Gefahr bewusst. Ich meine, wer in die Grenzregion zu
Mali fährt, wo das Militär gerade die Regierung geputscht hat, um den
Aufstand der Tuareg niederzuschlagen, und Libyen, dass gerade eine
Revolution hinter beziehungsweise vor sich hat und die Gaddafi treuen
Tuareg nun in diese Region flüchten und dem Niger, wo die Armut auch um
sich schlägt und im Süden Algeriens die AQMI (Alquaida im Maghreb)
Anschläge verübt und das Militär dort besonders präsent ist, wenn man
also in so eine Region fährt, dann darf man sich keine Illusionenen
machen, dass man dort mit so einem Equipment sehr willkommen ist. Also
das Equipment ist sicher willkommen, nur man selber ist’s wahrscheinlich
nicht. Aber was soll’s. Das war der Plan und jetzt wird er umgesetzt.
Außerdem habe ich in Gardaya noch einen Bekannten. Omar ist Clanführer
der Mozabiten. Ein weiterer Berberstamm, der anders als die anderen
Stämme extrem isoliert lebt. Das ich da hin darf grenzt an ein Wundern.
Aber noch bin ich nicht da. Also abwarten und schauen. Denn
die Mozabiten sind Ibaditen (Rechtsschule im Islam) und damit noch
konservativer als die Muslimisten in Busa’ada. Während hier die Frauen,
wenn auch komplett verschleiert, die Frauen auf der Straße rum rennen,
sind sie in Gardaya wohl eingesperrt. Aber ich werde sehen, wie es ist.
(Mich würde mal eine Statistik an dieser Stelle interessieren: Wie hoch
wohl die häusliche Gewaltrate hier ist) Ich bin nun aber in Algerien und
nicht in Deutschland und nicht mal in der Türkei.
Zu allem Überfluss
wird’s jetzt hier echt Scheiße heiß. Das Gepäck, dass ich dabei habe ich
Scheiße schwer. Die Sonne scheint Scheiße hell. Aber auch das war mir
schon vorher klar. Umso weiter ich in den Süden in Richtung Sahara
komme, desto heißer wird es. Auch da darf man sich keine Illusionen
machen.
Inzwischen
habe ich mich von meinem Rauswurf aus der Wohnung erholt und sitze an
einem Wadi (Oasen Bach) Die Vögel zwitschern wie verrückt und eine
leichte Brise weht durch das Wadi, mein Akku hält, die Frisur sitzt und
der Bart ist noch dran. Bleibt auch dran. Der nächste Blog kommt sicher.
Teil Vierundzwanzig „Ohne Freunde geht nichts!“
Teil Vierundzwanzig „Ohne Freunde geht nichts!“
Vollbild
Es gab Zeiten da
hatte ich Freunde… ich hatte viele Freunde…. einige hielt ich für gute
Freunde… Bei einigen musste ich feststellen, dass „gute“ Freunde doch
irgendwie etwas anderes sind. Einige Freundschaften haben die Zeit
überdauert. Selbst Forest Gump weiß, dass man gute Freunde nicht an
jeder Straßenecke finden kann und auch ich bin mir darüber bewusst. Und
dann aber passiert es, dass man sie doch an Straßenecken
oder Orten findet, an denen man es nicht für möglich gehalten hätte dort
neue Freunde zu finden.
Mit einigem Erstaunen
stelle ich bei mir fest, dass ich außerhalb von Hamburg schneller
Menschen kennenlernen kann. Irgendwie komisch. Es ist eigenartigerweise
so, dass nicht nur ich sie schneller ohne Hemmungen ins Herz schließe,
sondern ich habe das Gefühl, dass auch sie mich offenbar mögen. Ich habe
in Algiers, in der Kabylei aber auch in Busa’ada Freunde gefunden, von
denen ich behaupten würde, dass sie meine Freunde sind, ohne das Wort
„Freundschaft“ überstrapazieren zu wollen. Es sind Menschen, dir mir
etwas Wert sind. Für die ich mich ohne Zögern einsetzen würde. Für die
ich „da“ wäre, wenn sie meine Hilfe bräuchten. Denen ich privates
anvertrauen oder um Rat fragen würde. Auch sie haben das für mich hier
gemacht, ohne zu fragen wer ich bin, was ich will und was sie dafür
bekommen. Meistens hat es gereicht, dass man einmal gemeinsam gelacht
hat. Manchmal geht das eben sehr schnell. (Eigentlich Schade, dass es
nicht immer so ist, denn ich liebe solche Momente und Freundschaften)
Vor etwa zwei Jahren habe ich in Paris in der Flugschule Omar Zaid kennengelernt. Ein
Cooler Typ mit dem ich sofort auf einer Wellenlänge war. Ein halbes
Jahr später war er bei mir in Hamburg und jetzt bin ich bei ihm in
Gardaya. Was haben wir uns amüsiert. Ich habe alles Mögliche gemacht,
damit er sich als Gast bei mir wohlfühlt. Das mache ich in der Regel mit
jedem, der als Gast bei mir ist. Mir bedeutet das irgendwie noch
irgendetwas. Die meisten, die bei mir waren, werden das hoffentlich
bestätigen können, aber was es bedeutet bei Omar ein Gast zu sein, ist
vielleicht noch etwas anderes. Er hatte mir nichts davon erzählt, dass
er ein Hotel, eine Fabrik und ein Logistik Unternehmen hier hat. Jetzt
bin ich nicht nur sein Freund, sondern auch noch Ehrengast in seinem
Land, seiner Stadt und seinem Hotel. Erso: „Sag mir was du brauchst und
du bekommst es.“ Ichso: „Ähhh, was ich brauche…“ und grinste ihnso an:
„nein aber mal ganz im Ernst. Ich möchte hier mit ein paar Mozabiten
über die Ibaditen sprechen und später nach Tamarrassat (Süd-Algerien an
der Grenze zu Mali, Niger und Libyen) fahren. Kennst
Du da jemanden.“ Erso, irgendwie froh, dass er das Gefühl hat mir
helfen zu können: „t’inquette pas“ (mach dir keine Sorgen). Ichso etwas
beschämt: „Echt meinst Du das geht klar.“ Erso etwas jovial: „Eyyy…“ Das
schöne ist, dass er sich freut mir helfen zu können. Das ist wie ich
finde die schönste Form der Hilfe, die ich kenne. Wenn man sich freut
helfen zu können oder zu dürfen. Das habe ich auch sehr häufig.
Aber das gilt nicht nur
für Omar, sondern auch für Yucef und seine Freunde in Busa’ada oder für
Hmimi in der Kabylei. Freunde bei denen ich mir sicher fühle, weil ich
weiß, dass sie für mich direkt durchs Feuer gehen würden. Hmimi
hat mich zum Beispiel vor drei Jahren aus dem Gefängnis in der Kabylei
geholt, als wäre es ein Spaziergang gewesen. Sie alle haben mir hier
häufig den Rücken freigehalten und mich aus der Schussbahn gezogen. Auch
weil ich manchmal einfach etwas barsch und manchmal bewusst auch
provozierend bin. Dennoch setzen sie sich für mich ein und dabei haben
wir nie wirklich viel Zeit miteinander verbracht. Aber es spielt
manchmal eben keine Rolle wie lange man sich kennt. Hauptsache man mag
sich.
In
Busa’ada zum Beispiel haben mich die Freunde von Yucef mich sofort
aufgenommen, als gehörte ich schon immer zu ihnen. Sie schimpfen mit
mir, wenn ich etwas mache, was nicht geht, helfen mir, wenn ich in der
Klemme stecke und stehen an meiner Seite, wenn es eng wird. Freundschaft
zeigt sich auch dann, wenn man selbst Langeweile miteinander ertragen
kann. Ich behaupte mit Stolz geschwellter Brust, dass ich in Busa’ada
jetzt einen großen Freundeskreis habe. Einige waren am Anfang mir
gegenüber voreingenommen und skeptisch, was sich aber über die Zeit nun
geändert hat und ich im Nachhinein als Aufrichtigkeit wahrnehme. Ohne
sie hätte ich hier nicht einfach durch die Stadt laufen können und mit
meinem Teleobjektiv Leute abfotografieren können, wie ich es gemacht
habe. Der Schutz geht so weit, dass ich inzwischen ganz alleine mitten
in der Nacht um die Blöcke ziehen kann um Fotos in der Nacht zu machen.
Ein enorm gutes Gefühl sich so sicher zu fühlen und zu wissen, dass mir
hier nichts passieren kann.
Das
ist hier nicht unbedingt selbstverständlich. Weder in der Kasbah, dem
Bab-al-oued in Algier, noch in Tizi-Ouzu, Mishlit in der Kabylei oder in
Busa’ada, Gardaya in der Wüste. Diese Leute wachsen mir
sehr schnell ans Herz. Ich habe es nicht so häufig, dass ich den Tränen
nahe bin, wenn ich weiß dass ich Menschen nun für einige Zeit nicht
wiedersehe. Aber hier passiert mir dies nun schon häufiger. Ich habe
hier Freunde die ich jederzeit anrufen kann, jederzeit besuchen kann,
die mir jederzeit zur Hilfe eilen würden und jederzeit an meiner Seite
stehen und es wundert mich, dass ich das in Deutschland so nicht habe.
Was für ein schönes
Gefühl es ist Freunde zu haben. Jeder der Freunde hat, von denen er
behaupten würde, dass es gute Freunde sind, sollte sich darüber bewusst
werden, dass es etwas ganz Besonderes ist, dass man Freunde hat. Häufig
geht man damit doch irgendwie zu selbstverständlich um.
Letzter Teil "Hommage an Algier und die Algerier"
:
Jetzt
bin ich also zurück in Deutschland. Kaum war ich in Hamburg angekommen.
Musste ich auch schon nach Schwerin, Dortmund, Köln, Aachen, Berlin und
zurück nach Hamburg. Das ist eigentlich eine beachtliche Strecke, aber
irgendwie total langweilig. Keine Polizisten, die mich verhaften wollen,
keiner will mich ausrauben und es will mich auch irgendwie keiner
kennenlernen und ich lerne irgendwie auch keinen kennen. Alles total
langweilig, Alles voller „Keiner’s“ Das einzige, dass etwas abnormal
ist, sind die Fans von Dortmund, die gerade sowohl die Meisterschaft,
als auch den Pokalsieg feiern. Aber selbst das ist mir hier total egal.
Ich bin gleich zum Absteiger nach Köln gefahren. Dort bin ich
umgestiegen zum zweiten Absteiger der zweiten Liga in Aachen.
Abschließend bin ich dann beim fast Absteiger Berlin ausgestiegen. Doch
so sehr ich auch auf-, um- oder absteige bewegen tut mich das alles
nicht.
Bewegt bin ich immer noch
von den Erfahrungen, die ich während meiner 9 Wochen in Algerien erlebt
haben. Ich muss immer noch sehr intensiv an meine Jungs aus Mali in
Ghardaya denken. Immer noch bewegt mit das Gespräch mit der Schwester
des Mutter Teresia Ordens und des Bruders des Charls Foulcout Ordens.
Mein Erlebnis in der Wüste oder mein Abenteuer mit der Polizei. Alles
sehr bewegend. Kaum Stillstand in meinem Leben. Doch jetzt wo ich wieder
zurück bin, habe ich das Gefühl, dass hier die Zeit stehengeblieben
wäre. Hier ist alles beim Alten. Nichts verändert sich hier. Vielleicht
liegt es auch daran, dass ich mich schneller verändert habe, als
Deutschland… in der gleichen Zeit. Ich bin ein anderer Mensch als der,
der vor 9 Wochen los gefahren ist. Eigentlich will ich gleich wieder
weg. Ich würde am Liebsten gleich wieder abreisen.
Aber
am Meisten getrauert habe ich bei der Abreise, weil ich meine Familie
für unbestimmte Zeit verlassen musste. Und wenn ich nun sage „Familie“
dann meine ich das auch genau so. Karim und seine Frau Karima, seine
Kinder Mehdi, Fariel und Yasin sind für mich meine Familie. Ich gehöre
zu ihnen, darin besteht kein Zweifel. Auch wenn es „nur“ angeheiratet
ist… Es ist nun meine Familie.
Und bei allen schönen
Erlebnissen in Algerien, war dieses Gefühl, von zu Hause sein, dieses
Gefühl von Familie haben, das wichtigste und schönste Gefühl von Allen.
Vielleicht, weil es auch am längsten angehalten hat und es das schönste
Gefühl war zu wissen, dass man Familie hat. Niemand sollte den Wert
einer Familie unterschätzen. Apropos Familie; Meine Mutter war eher
wenig begeistert, dass ich zu den Terroristen gefahren bin, wo ständig
Bomben hochgehen und Özgür’s verhaftet werden.
Meine Mutter wollte unbedingt, dass ich in die
Türkei komme. Sieso: „Was hat Algerien, was die Türkei nicht hat.“
klingt etwas wie einen eifersüchtige Freundin. Aber meine Freundin kenne
ich schon und die ist nicht mehr so aufregend und langweilt mich auch
ein bisschen, während ich Algerien eben noch nicht so sehr kenne.
Algerien ist irgendwie aufregender. Algerien ist fast wie Fremdgehen.
Algerien
ist wie eine schöne Frau. Algerien ist eine femme fatal. Aufregend zu
entdecken und jedes Mal, wenn man denkt, jetzt kenne ich sie, kommt eine
Ecke, eine Seite, eine Fassette, die ich noch nicht kannte und nicht
mal erahnt habe und nicht mal gedacht hätte, dass es diese Seite geben
könnte. Der erste Eindruck täuscht, wie gewöhnlich und wenn man dann
mehrere Fassetten kennengelernt hat, verändert sie sich plötzlich. Der
Blick verändert sich. Gerade wenn man denkt ich liebe sie, tritt sie dir
in die Eier. Aber auch das macht sie mit Liebe. Ich hasse so manch eine
Eigenart und Liebe sie als Ganzes.
Algerien ist ein Abenteuer, eine Liaison Fatal und
ein nicht fassbarer Traum, der einen an Orte führt, die in keinem
Zusammenhang zueinander stehen. Sicher ist, dass ich den Traum eines
Tages wieder träumen werde…. die Frage ist nur, wann…
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